Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
ersten Durchlauf achtete ich auf ihre Stimmlageund auf ihre Wortwahl. Ihre Panik und Angst klangen echt.
Als ich beim zweiten Durchlauf etwas lauter drehte, erschrak ich. Ich hatte den Kopfhörer auf und hörte im Hintergrund zwar leise, aber ganz deutlich: » Mama… Mama, hilf mir!«, rufen.
Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Das war zweifellos die Stimme des kleinen Thorsten, und seine Mutter hatte in diesem Moment nichts Besseres zu tun, als mit der Feuerwehr zu telefonieren. Gewiss war der Notruf wichtig. Aber noch wichtiger wäre es gewesen, erst mal nach dem Kind zu schauen. Ich war mir sicher, dass Monika Packer ihren Sohn hätte retten können, wenn sie es nur gewollt hätte.
Um besseren Zugang zu der Tatverdächtigen zu finden, bat ich Kriminaloberkommissarin Gengel, der Vernehmung beizuwohnen. Wir waren ein eingespieltes Team, in dem jeder wusste, mit welchen Methoden zu welchem Zeitpunkt Tätern am besten beizukommen war.
Wenn man in Deutschland einen Tatverdächtigen vernimmt, muss man mit ihm zuallererst eine Beschuldigtenbelehrung durchführen. Unterlässt man dies, unterliegt die Vernehmung einem Beweisverwertungsverbot. Das heißt im Klartext, dass die Vernehmung und das entsprechende Protokoll nicht in das Verfahren einfließen dürfen, selbst wenn der Täter ein lückenloses Geständnis abgelegt hat.
Uns war klar, dass wir bei Monika Packer vorsichtig zu Werke gehen mussten. So wie wir sie einschätzten, war sie eine hochgradige Psychopatin, die sich sofort in ihr Schneckenhaus zurückziehen würde, falls ihr etwas nicht passte.
Als sie behutsam darüber belehrt wurde, dass sie im Verdacht stehe, eine schwere Brandstiftung begangen zu haben, und sie das Recht habe, die Aussage zu verweigern oder einen Rechtsanwalt anzurufen, fing sie sofort kopfschüttelnd zu weinen an.
» Ich habe nichts getan… ich habe nichts getan!«, stammelte sie. » Meinen Sie, ich bringe meinen eigenen Sohn um? Für wen halten Sie mich? Ich bin keine Mörderin! Das haben andere gemacht. Es gibt genug in dem Ort, die so etwas machen!«
Mit Engelszungen versuchten wir, Monika Packer zu beruhigen, da wir bei dieser Vernehmung wenigstens ansatzweise so etwas wie ein Geständnis von ihr erlangen wollten. Wir fragten sie nach ihrer Kindheit, und sie erzählte, dass sie davon nicht mehr allzu viel wisse.
Vage Erinnerungen habe sie noch an ihre Pflegefamilie, aber nur deshalb, weil sie dort sehr hart bestraft wurde, wenn sie böse gewesen sei. Auf meine Frage, in welcher Form sie böse war, zuckte Monika Packer mit den Schultern und sagte:
» Ich weiß es nicht mehr. Ich war halt böse, sonst wäre ich doch nicht bestraft worden.«
Vor etwa einem Jahr sei ein Brief vom Jugendamt Köln gekommen, aus dem hervorging, dass ihre Mutter mit ihr in Kontakt treten wolle. Sie habe eingewilligt und sich mit ihrer Mutter am Hauptbahnhof Karlsruhe getroffen. Bei dieser Gelegenheit habe die Mutter erzählt, sie sei damals mit ihr nicht mehr fertiggeworden, weshalb sie sie im Alter von vier Jahren bei einer Pflegefamilie untergebracht habe. Doch da habe es Probleme gegeben, weshalb sie schließlich in ein Heim musste.
Das Treffen mit der Mutter sei nur kurz gewesen. Weitere Kontakte habe es nicht gegeben.
Monika Packer tat mir sehr leid. Mir war klar, dass die Frau in ihrem Leben schon einiges mitgemacht hatte, was sicherlich deutliche Spuren in ihrer Psyche hinterlassen hatte. Hinzu kam, dass sie stark übergewichtig und nicht gerade eine Schönheit war. Ihre Haut schien ungepflegt und ihre Kleidung war nicht sehr vorteilhaft. Das blonde Haar trug sie kurz, und man konnte vermuten, dass ihr Frisör alles andere als ein Meister seines Faches war. Abgekaute Fingernägel verstärkten den Eindruck, dass Monika Packer psychische Probleme hatte. Dennoch, als sie so zitternd und weinend vor uns saß, stiegen in mir Zweifel auf. War diese Frau tatsächlich fähig, Häuser in Brand zu stecken und damit Menschen, ja sogar ihren eigenen Sohn zu opfern?
Wir konzentrierten uns auf jede einzelne Geste, auf jedes Wort der Frau, um den Tatverdacht irgendwie untermauern zu können. Aber Monika Packer gab sich kaum eine Blöße.
» Wann war Ihr letzter Suizidversuch und warum haben Sie den unternommen?«, fragte ich sie.
» Der war vor etwa zwei Jahren. Ich wollte mich mit einer Überdosis Paracetamol umbringen, weil ich Schwierigkeiten mit meinem Sohn hatte.«
» Welche Art von Schwierigkeiten waren das?«
» Das weiß ich nicht mehr
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