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Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)

Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)

Titel: Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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beweisen.
    Nach dem Gesetz reichte es keinesfalls aus, sofort einen Haftbefehl gegen den Mann zu erwirken. Die Frau war drei Tage später tot. Ihr Mann hatte sie mit mehreren Messerstichen getötet, als er erfuhr, dass sie bei der Polizei war.
    Im Fall Öhler war vielen Personen bekannt, dass er geistig verwirrt war. Einige wussten auch, dass er Waffen besaß. Wir beschlagnahmten seine Waffen, konnten aber nicht wissen, dass er noch einen Revolver hinter dem Haus vergraben hatte. Und vor dem Amoklauf lagen die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Haft- oder Unterbringungsbefehl einfach noch nicht vor, weil Öhler nie als gewalttätig aufgefallen war und weil die bei ihm gefundenen Waffen erlaubnisfrei waren. Sein geistiger Zustand war aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse von niemandem, auch nicht den Ärzten, als so ernst und gefährlich eingestuft worden, dass man ihn zwangsweise und für längere Zeit in einer Psychiatrie unterbringen konnte. Man schätzte ihn lediglich als armen Irren ein.
    Nach seiner Festnahme wurde Öhler in die psychiatrische Abteilung des Vollzugskrankenhauses in Hohenasperg gebracht. Dort blieb er bis zur Hauptverhandlung. Die Beweislage schien klar. Öhler war in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den Taten festgenommen worden, hatte ein Geständnis abgelegt, und es gab viele Zeugen, die ihn als den Mann identifizierten, der fünf Menschen erschossen und vier Personen zum Teil schwer verletzt hatte.
    Sein weiteres Schicksal hing ganz allein davon ab, wie das psychiatrische Gutachten ausfiel. Dieses Gutachten wurde von einem anerkannten Fachmann und Arzt der Forensischen Abteilung der Psychiatrischen Klinik an der Universität Heidelberg erstellt. In mehreren Sitzungen mit dem Probanden sollte im Auftrag der Staatsanwaltschaft die Frage der Schuldfähigkeit des Manfred Öhler zur Tatzeit geprüft werden und inwieweit gegebenenfalls die Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses erforderlich erscheint.
    Das 114 Seiten umfassende Gutachten stützte sich auf die vorhandenen Polizeiakten, einschließlich eines Video-Bandes der mit Öhler selbst durchgeführten Tatrekonstruktion, vier ausführliche Untersuchungen des Täters im Vollzugskrankenhaus, computertomographische und elektroenzephalographische Untersuchungsbefunde sowie vorhandene Krankenunterlagen aus der Vergangenheit. Dieses äußerst umfangreiche Gutachten kann ich natürlich nur auszugsweise wiedergeben.
    Bei der Verhaltensbeobachtung und der Erstellung des psychopathologischen Befundes wurde zum Beispiel festgehalten, dass es sich bei dem Täter um einen kleinen, unscheinbaren Probanden mit geduckter Körperhaltung handele. Er habe ein schütteres Haupt- und Barthaar, eine durch Akne unreine Gesichtshaut und sei stets in einem Trainingsanzug gekleidet. Sein Händedruck ist auffällig schlaff bei feuchtwarmer Haut. Der Kopf ist beim Gespräch meist gesenkt. Seine gelegentlich leicht grimassierende Gesichtsmimik ist relativ unbewegt. Es fällt ein nervöses Augenzucken auf.
    Anfangs noch scheu, entwickelte Öhler mit der Zeit eine geradezu vertrauliche Anhänglichkeit an den Gutachter. Das ging so weit, dass er ihn mit » Du« ansprach.
    Den Ablauf der Tat schilderte er auffallend langsam, wobei er sorgfältig zu überlegen schien. Von einmal gewählten Formulierungen ließ sich Manfred Öhler kaum abbringen. Er verfolgte seine Darstellung eigensinnig und rigide, so dass es kaum möglich war, ihn zu unterbrechen oder die Schilderung unwichtig erscheinender Passagen abzukürzen.
    Meist sprach er sachlich, nüchtern und in monotoner Tonlage. Während er keine Betroffenheit über seine schrecklichen Taten erkennen ließ, versuchte er in auffallendem Maße seine eigene Person in den Mittelpunkt zu stellen. Eine Einsicht über seine psychische Erkrankung hatte der Proband nicht.
    Beispielsweise berichtete Öhler, er habe ein großes Problem, das er nur durch äußerste Willenskraft überwinden könne. Wenn etwas Trauriges, Schlimmes passiere, müsse er sich stark zusammenreißen, dass er nicht zu lachen anfange. Er befürchte deshalb, in ein Gelächter auszubrechen, wenn vor Gericht die Anklageschrift mit seinen schrecklichen Taten vorgelesen werde.
    Dieses Problem habe er schon seit dem 16. Lebensjahr. Es ginge sogar so weit, dass wenn jemand freundlich zu ihm sei, in ihm auch das Gefühl hochkomme, diese Person töten zu wollen.
    In vier langen Sitzungen gelang es dem

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