Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
Außerdem hätten sie auf der Matratze große, feuchte Flecken festgestellt.
Kommissar Schulz hörte im Laufe seiner Dienstjahre schon viele Geschichten über plötzlich verschwundene Töchter oder Ehefrauen. Die Geschichten ähnelten sich zwar oft in irgendeiner Weise, doch waren sie im Detail immer wieder so verschieden, dass man sie nicht über einen Kamm scheren konnte. Bei dem Bericht dieser besorgten Mutter beschlich ihn sehr bald das untrügliche Gefühl, dass hier tatsächlich ein Verbrechen vorliegen könnte. Er unterbrach deshalb seine Mittagspause und veranlasste sofort die bundesweite Fahndung nach der Vermissten und ihrem Exfreund. Gleichzeitig bat er Frau Roth, die Wohnung ihrer Tochter nicht mehr zu betreten und sämtliche Türen zu verschließen.
Zusammen mit einem Kollegen fuhr er unverzüglich zum Wohnsitz des Ralf Opitz. Doch fast erwartungsgemäß war dort niemand anzutreffen. Nach dem Öffnen der Wohnung bot sich den Kollegen ein chaotisches Bild. Kleider, Haushaltsgegenstände und andere Utensilien lagen kreuz und quer herum. Alles starrte vor Dreck. Hinweise auf den Verbleib von Corinna Roth oder Ralf Opitz ergaben sich nicht. Auch gab es keinerlei Spuren, die auf ein Gewaltverbrechen hindeuteten.
Kommissar Schulz ordnete die Observation der Wohnung an und fuhr anschließend mit seinem Kollegen zum Haus der Familie Roth. Sie trafen dort gegen 14.30 Uhr ein. Zusammen mit der Mutter und Großmutter der Vermissten betraten sie die Dreizimmerwohnung von Corinna Roth. Schulz ging von Raum zu Raum und musterte alles eingehend. Nichts ließ zunächst darauf schließen, dass hier ein Kapitalverbrechen stattgefunden haben könnte. Ganz im Gegensatz zur Wohnung des Ralf Opitz war alles in einem ordentlichen Zustand. Auch die Bettcouch der Vermissten sah auf den ersten Blick unauffällig aus. Auf ihr waren zwei Wolldecken ausgebreitet.
Wie schon bei dem Telefongespräch, wies Frau Roth jedoch darauf hin, dass das Laken und der gelbe Überzug einer Steppdecke fehle. Die Steppdecke selbst befand sich unüblicherweise in einem Bettkasten. Schulz schlug die beiden Wolldecken zur Seite. Auf der Matratze waren im Kopf- und Beckenbereich zwei etwa 35 Zentimeter große Flecken zu erkennen. Es sah aus, als ob jemand mit einem feuchten Lappen irgendwelche Spuren beseitigt hätte. Ganz deutlich konnte Schulz am unteren Flecken noch Uringeruch wahrnehmen. Jetzt schrillten alle Alarmglocken bei ihm. Wusste er doch, dass sich bei Menschen, die einem Gewaltverbrechen zum Opfer fallen, kurz vor deren Tod oft noch die Blase entleert und dass zum Beispiel bei einem Würge- oder Drosselvorgang sowohl Speichel als auch Blut aus dem Mund fließen kann. Auf dieser Bettcouch, so vermutete er, muss Corinna Roth zu Tode gekommen sein. Doch wo war die Leiche?
Kommissar Schulz war sofort klar, was er jetzt zu tun hatte. Er beorderte Kriminaltechniker an den Tatort und rief Verstärkung zur Suche nach der Leiche herbei. Gleichzeitig war er bemüht, gegenüber den besorgten Angehörigen bis zur Auffindung der Leiche zumindest so zu tun, als ob Corinna Roth noch leben könnte. Doch sein Bauchgefühl sagte ihm, dass dies nicht der Fall war. Schulz war sich zu diesem Zeitpunkt schon sicher, dass hier wohl ein Tötungsdelikt vorlag und er dieses Verbrechen mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aufzuklären hatte.
Die eintreffende Verstärkung, zu der auch ich gehörte, wies er an, im Haus jeden Winkel zu durchsuchen und im Garten des Anwesens jeden Stein umzudrehen, um die Leiche oder zumindest Hinweise auf deren Verbleib zu finden. Wir mussten vorsichtig zu Werke gehen, denn es dürfen in solchen Fällen auch keine Spuren verwischt, verfälscht oder gar vernichtet werden.
Während die Kriminaltechniker die gesamte Erdgeschosswohnung des Hauses als » Sperrgebiet« erklärten, um darin jede Faser, jedes Haar, jeden noch so kleinen Flecken, der Blut sein könnte, zu sichern, war Kommissar Schulz damit beschäftigt, die weiteren notwendigen Maßnahmen zu koordinieren. Der Versuch, unseren Chef davon zu überzeugen, dass hier ein Kapitalverbrechen vorlag und die Mordkommission in voller Stärke alarmiert werden müsste, schlug fehl. Schulz bekam lediglich ein paar Kollegen zur Seite gestellt, die ihn bei den Ermittlungen unterstützen sollten.
Die Suche nach Corinna Roth oder deren Leiche war im Haus und in der näheren Umgebung trotz des Einsatzes von Spürhunden erfolglos. Schulz ordnete deshalb an, dass die Fahndung nach
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