Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
dem ebenfalls 21-jährigen Ralf Opitz mit Hochdruck vorangetrieben wurde. Die Grenzstellen und Flughäfen wurden alarmiert. Freunde und Bekannte wurden ausfindig gemacht, um mögliche Aufenthaltsorte des Gesuchten zu erfahren. Schnell wurde bekannt, dass seine im Saarland wohnenden Eltern neben ihrem Wohnhaus noch ein großes Anwesen mit einem Wochenendhaus besaßen.
Bereits ab dem frühen Nachmittag desselben Tages wurden Ralf Opitz’ Elternhaus als auch das Wochenendhaus observiert. Da in der Nacht Schnee gefallen war, konnte festgestellt werden, dass Letzteres an diesem Tag noch nicht betreten worden war.
Es vergingen wertvolle Stunden, die bei Kapitalverbrechen oft von entscheidender Bedeutung sein können. Wir wussten, dass in dieser Zeit wichtige Spuren und Beweise verlorengehen konnten, und wir setzten alles daran, Ralf Opitz zu finden. Und dennoch unterlief uns in dieser entscheidenden Phase ein großer Fehler. Aufgrund einer Fehlinformation brachen die saarländischen Kollegen die Observation des Wochenendhauses um 17.30 Uhr ergebnislos ab.
Erst gegen 22.00 Uhr fuhren sie noch einmal zu dem Anwesen und stellten dabei fest, dass Ralf Opitz’ Pkw davor stand. Der Gesuchte empfing die Beamten mit gespielter Gelassenheit. In seiner Begleitung befand sich sein Großvater. Auf entsprechenden Vorhalt gab Opitz an, dass er sich in der Nacht zuvor mit seiner Freundin ausgesprochen und deren Wohnung um 7.15 Uhr verlassen habe. Corinna Roth habe zu diesem Zeitpunkt in ihrem Bett gelegen und geschlafen. Er habe ihr noch einen Abschiedskuss gegeben und sei dann gegangen.
Dass es in diesem Fall eine besonders harte Nuss zu knacken galt, merkten die Kollegen aus dem Saarland spätestens bei der anschließenden Durchsuchung des Hauses. Im Keller lief nämlich die Waschmaschine, in der sich ausschließlich die von Opitz an diesem Tag getragene Kleidung befand. Die Maschine wurde zwar sofort abgeschaltet, aber jeder wusste, dass es wohl zu spät war, an den Kleidungsstücken noch irgendwelche brauchbaren Spuren sichern zu können. Der Tatverdächtige hatte also seinen Vorsprung und den Fehler der saarländischen Polizei weidlich ausgenutzt. Alles wäre wohl einfacher gewesen, wenn er mit Blut- oder anderen Tatspuren an der Kleidung hätte erwischt werden können.
Ralf Opitz wurde wegen des Verdachts, ein Kapitalverbrechen begangen zu haben, an Ort und Stelle vorläufig festgenommen.
Kommissar Schulz war von der Festnahme des Flüchtigen bereits vorinformiert. Er wollte noch in der Nacht die erste Vernehmung des Tatverdächtigen durchführen. Wie in solchen Fällen üblich, hatte er sich dafür eine bestimmte Taktik zurechtgelegt. Doch als Opitz in den Vernehmungsraum geführt wurde und Schulz die ersten Worte mit ihm sprach, wusste er gleich, dass er diese Taktik und vor allem ein schnelles Geständnis vergessen konnte. So ließ er Ralf Opitz einfach mal über die vorangegangenen Tage erzählen. Der Tatverdächtige schien dabei bestrebt zu sein, sich durch nachvollziehbare Schilderungen über Geschehnisabläufe einen Kredit für seine Glaubwürdigkeit verschaffen zu wollen. Dennoch verwickelte er sich in einige Widersprüche, die jedoch nicht so gravierend waren, dass Schulz ihn damit in die Enge treiben konnte. Opitz zeigte sich unnahbar. Menschliche Züge oder Gefühlsregungen waren bei ihm überhaupt nicht zu erkennen.
Zum Ende der Vernehmung machte Schulz noch einen Versuch, von Opitz ein Geständnis zu erhalten, doch eigentlich wusste er schon von vornherein, dass es vergebliche Mühe war. Dann brach er in dieser Nacht die Befragung ab.
Am nächsten Tag wurden von uns fieberhaft Indizien und Beweise zusammengetragen, die den Verdacht begründen sollten, dass Opitz seine Freundin getötet hat. Erst am späten Samstagabend führten wir den Tatverdächtigen dem Haftrichter vor. Mit viel Überzeugungskraft und wenig stichhaltigen Fakten konnte der Richter von Schulz und dem ebenfalls anwesenden Oberstaatsanwalt dazu gebracht werden, dass er mit einigen Vorbehalten kurz vor Mitternacht gegen Opitz einen Haftbefehl erließ. Opitz wurde in Untersuchungshaft genommen.
Die Beweislage war äußerst dünn, und uns war klar, dass so schnell wie möglich Corinna Roths Leiche gefunden werden musste. Wenn überhaupt, konnte man den Tatverdächtigen nur durch Spuren an der Toten überführen. Eine großangelegte Suche begann. Gleichzeitig erstellten wir sogenannte Persönlichkeitsbilder über Ralf Opitz und Corinna
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