Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
privaten Sachverständigen ein. Dieser stellte fest, dass der Brand ganz eindeutig im Treppenhaus begonnen hatte. Als Brandherd lokalisierte er die Ecke rechts hinter der Haustür, in der ein Abfalleimer stand, in dem er noch Reste von Zigaretten fand.
Der auf mich sehr unsicher wirkende Gutachter stellte die Vermutung auf, dass jemand aus Versehen eine brennende Zigarette in den Abfalleimer warf, die das darin befindliche Papier entzündete. Diese Erklärung erschien mir nicht sehr überzeugend. Gleichwohl war sie nicht zu widerlegen.
Doch ich hatte das Gefühl, dass das Feuer eine ganz andere Ursache hatte. Nicht zuletzt auch wegen des vorangegangenen Brandes, der gerade mal zwei Wochen zurücklag, sagte mir mein Instinkt, dass hier tatsächlich ein Feuerteufel am Werk war. Und dieser Feuerteufel war hoch gefährlich. Er hatte im wahrsten Sinne des Wortes Blut geleckt und würde mit Sicherheit weitermachen.
Aber wie kam der Täter ins Haus? An der Haustür konnten keine Einbruchspuren festgestellt werden. Von den Hausbewohnern erfuhren wir, dass der Türschließer nicht immer einwandfrei funktionierte. Tatsächlich konnten wir rekonstruieren, dass das Schließblech so weit zurückgesetzt war, dass die Schlosszunge nicht allzu weit in die sogenannte Schlossfalle ragte. Das hatte zur Folge, dass man die Tür mit wenig Kraftaufwand aufdrücken konnte.
Bereits beim Erscheinen der Feuerwehr war die Scheibe an der Tür zerborsten. Nur wenige Glassplitter lagen im Flur. Die meisten außen auf der Treppe. Wir stellten die Vermutung auf, dass die Scheibe durch die große Hitze des Feuers nach außen gedrückt wurde und dabei zersplitterte. Doch konnte es auch sein, dass der Täter zuerst ein kleines Loch in die Scheibe schlug und danach mit einem Geißfuß das übrige Glas nach außen riss.
Die Meinungen innerhalb der Ermittlungsgruppe klafften weit auseinander. Fast jeder stellte eine eigene Theorie auf. Nach wie vor stand der Zeitungsausträger im dringenden Verdacht. Doch mit dem Gutachten der Sachverständigen konnten wir ihn nicht in die Enge treiben. Als wir ihn zum dritten Mal zur Vernehmung holen wollten, war er plötzlich wie vom Erdboden verschluckt, was ihn noch verdächtiger machte.
Schließlich konnten wir seine Freundin ausfindig machen, die, ohne konkret danach gefragt worden zu sein, spontan aussagte, es habe frühmorgens schon öfter gebrannt, wenn ihr Freund die Zeitung ausgetragen habe. War er tatsächlich der Feuerteufel? Wir waren uns fast sicher. Die Fahndung nach ihm wurde mit Hochdruck vorangetrieben, und schon nach kurzer Zeit hatten wir Erfolg. Aber auch bei der dritten Vernehmung legte der Mann kein Geständnis ab. Es war zum Haareraufen!
Bei anderen Tatverdächtigen, die wir meist in mühevoller Kleinarbeit ermittelt hatten, bissen wir ebenfalls auf Granit.
In diesem Stadium der Ermittlungen war ich zusammen mit dem Ermittlungsgruppenleiter hauptsächlich mit der Organisation und Koordination der durchzuführenden Maßnahmen beschäftigt. Gleichzeitig war ich für die Aktenführung verantwortlich. Diese Aufgabe beinhaltet unter anderem das chronologische Einfügen von Protokollen und Berichten in die Akte, aber insbesondere auch das Erkennen von Zusammenhängen einzelner Vorgänge.
Nachdem der behandelnde Arzt bereits am ersten Tag signalisiert hatte, dass der achtjährige Thorsten Packer in Lebensgefahr schwebe und, sollte er überleben, wegen des langen Herzstillstandes höchstwahrscheinlich schwerste Hirnschädigungen erlitten habe, teilte das Klinikum am Nachmittag des vierten Tages schließlich mit, dass bei dem Kind der Hirntod eingetreten sei.
In Deutschland ist es Vorschrift, dass der sogenannte Hirntod von zwei Ärzten aus verschiedenen Abteilungen eines Klinikums festgestellt werden muss. Damit soll verhindert werden, dass bei einem Patienten wegen der eventuellen Fehldiagnose eines einzelnen Arztes die lebenserhaltenden Maßnahmen unterbrochen werden und damit innerhalb kurzer Zeit Herzstillstand eintritt.
Bei Thorsten Packer wurden im Rahmen der genau vorgeschriebenen Untersuchungen, die zwischen 14 und 15 Uhr stattfanden, keine Hirnströme mehr gemessen. Nach Rücksprache mit den Eltern wurden schon eine Stunde später die Maschinen abgeschaltet, die sein kleines Herz während der vier Tage im Koma am Schlagen hielten.
Ich habe später nie nach den Umständen des aus meiner Sicht sehr schnellen Abschaltens der Maschinen gefragt, aber als ich davon erfuhr, war ich nicht
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