Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
rechtzeitig entdeckt. In dem Haus habe eine kinderreiche türkische Familie gewohnt. Monika habe im Obergeschoss einen Bekannten besuchen wollen, ihn aber nicht angetroffen. Dann habe sie einfach den Kinderwagen in Brand gesteckt, obwohl sie zu der türkischen Familie keinerlei Bezug gehabt habe.
Ich war mir schon vorher ziemlich sicher, dass die Mutter ihren Sohn auf dem Gewissen hatte, doch nach dieser Aussage wusste ich es hundertprozentig. Aber die meisten Kolleginnen und Kollegen konnten es immer noch nicht glauben und stützten sich lieber auf das Gutachten des Sachverständigen, wonach der Brand wahrscheinlich durch eine brennende Zigarette entstanden sei, die aus Unachtsamkeit in den hinter der Eingangstür stehenden Papierkorb geworfen wurde.
Kriminaloberkommissarin Doris Gengel war eine sehr erfahrene Kollegin. In unzähligen Ermittlungsverfahren hatte sie ihr Können schon unter Beweis gestellt. Auch in diesem Fall zeigte sie sehr viel Engagement. Selbst dreifache Mutter, tat ihr der achtjährige Thorsten Packer besonders leid. Sie war es auch, die Monika Packer zu Beginn betreut und mit ihr die erste Befragung durchgeführt hatte. Daneben verhörte sie noch mehrere andere Zeugen, so dass sie viele Detailkenntnisse des Falles besaß.
Meinem Verdacht gegen Monika Packer stand sie zunächst sehr skeptisch gegenüber. » Eine Mutter macht so etwas nicht«, war ihr erster Kommentar. » Der Frau Packer würde ich das auch nicht zutrauen«, fügte sie hinzu.
Doch je mehr über Monika Packer bekanntwurde, desto mehr öffnete sich Kriminaloberkommissarin Gengel meiner Theorie. Einen Tag vor Thorstens Beerdigung drängte ich darauf, Monika Packer unverzüglich als Beschuldigte zu vernehmen. Bislang war sie ja nur als Zeugin befragt worden. Ich befürchtete, sie könnte in Anbetracht der Beisetzung ihres Sohnes abermals einen autoaggressiven Schub bekommen und wieder ein Haus anzünden oder vielleicht Selbstmord begehen.
Aus Gründen der Pietät entschied jedoch der Ermittlungsgruppenleiter, Monika Packer erst nach der Beerdigung zu verhören. So gut es ging, sollte sie bis dahin observiert werden. Mein Einwand, dass ihre Vernehmung und die damit einhergehende Überführung als Täterin insbesondere auch ihrem eigenen Schutz diene, da durch eine Observation ihr Selbstmord in letzter Konsequenz nicht verhindert werden könne, fand kein Gehör.
Vor der Beerdigung erschienen mehrere Todesanzeigen in den Tageszeitungen. Der kleine Thorsten Packer war mit seinen kurzen blonden Haaren und dem offenen, freundlichen Gesicht zu Lebzeiten offenbar äußerst beliebt. In zum Teil sehr emotionalen Texten verabschiedeten sich Klassenkameraden, Freunde, die Fußballmannschaft, in der er spielte, und Verwandte.
Monika Packer und ihre Adoptiveltern ließen folgende Anzeige veröffentlichen:
» Das Liebste, was wir hatten, ist uns genommen worden.
Thorsten brachte uns die Sonne, das Lachen und die Freude.
Unendlich ist der Schmerz, die Trauer und die Leere.
Durch eine sinnlose Tat musste mein einziges Kind, unser einziger Enkel sterben.
Warum?
Wir werden Dich immer in unserem Herzen tragen.«
Dazu veröffentlichte Monika Packer im Mitteilungsblatt der Gemeinde noch folgenden Text:
» Wer kann mit so einer Schuld leben, Menschenleben zu riskieren und ein unschuldiges Kinderleben zu zerstören?
Wer?«
Daneben hatte sie ein Bild ihres Jungen setzen lassen.
Monika Packer hatte die Schule und den Fußballverein ihres Sohnes darum gebeten, dass die Schüler und Vereinskameraden weiße Luftballone in den Himmel steigen lassen, sobald der Sarg in die Erde gesenkt werde.
Ich wohnte der Beerdigung von weitem bei. Es war ein sehr ergreifendes Bild, als etwa 200 bis 300 weiße Luftballone in den Himmel stiegen und dazu ein trauriges Lied erklang. Monika Packer weinte herzzerreißend. Sie musste gestützt werden, um sich auf den Beinen halten zu können.
Wegen des bevorstehenden Wochenendes, aber auch aus Taktgefühl warteten wir noch drei Tage, bis wir Monika Packer zum ersten Mal als Beschuldigte verhörten. Es war mein Part, denn ich war der sogenannte Hauptsachbearbeiter des Falles. Ich hatte mich sehr gründlich auf das Verhör vorbereitet und war mir absolut sicher, die Tatverdächtige zu einem Geständnis bewegen zu können, hatte ich doch in unzähligen anderen Verfahren bereits die übelsten Ganoven, die schlimmsten Mörder » weichgekocht«.
Zuvor hörte ich mir noch einmal den Mitschnitt ihres Notrufes an. Beim
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