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Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)

Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)

Titel: Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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konnte, wurde der 19-jährige Täter von seinen späteren Opfern im frühen Kindesalter adoptiert. Seine leibliche Mutter hatte ihn vier Wochen nach der Geburt wie einen Hund an einer Autobahnraststätte ausgesetzt.
    Der Gutachter führte an, dass sogar einen Tag alte Säuglinge, die nach der Geburt dauerhaft von der leiblichen Mutter getrennt werden, dem Schicksal einer Deprivationsschädigung unterworfen sein können, selbst wenn sie alsbald einer Ersatzmutter zugeführt werden.
    Die Deprivationsschädigung ruft meist erst zu einem späteren, sehr variablen Zeitpunkt eine Neurose hervor, deren Ursache von den Betroffenen nicht zu erkennen ist. Diese Neurose kann wiederum äußerst multiple Erscheinungsformen aufweisen. Die gravierendste und verhängnisvollste Folge ist die, dass die Person im Normalzustand durchaus sozial eingestellt, liebenswert und sympathisch sein kann. Dass aber derselbe Mensch unter ganz bestimmten Umständen auch zu kontrollierten, respektive völlig unkontrollierten Zerstörungs- und Gewaltausbrüchen bis hin zu Mord und Totschlag neigt. Man spricht dann auch von aggressiven Durchbrüchen. Dabei schreckt er nicht davor zurück, Menschen und Dinge zu zerstören, die er besonders liebt. Diese Art Täter können für ihr Verhalten keine Erklärung abgeben, weil sie im Grunde genommen selbst nicht wissen, was während der Tat in ihnen vorgegangen ist. Sie wissen nur, dass sie etwas Schreckliches getan haben, und glauben, verrückt zu sein. Manchmal können sie die Tat auch so weit verdrängen, dass sie davon überzeugt sind, sie habe nie stattgefunden.
    Doch nicht jedes adoptierte Kind leidet an Deprivationsstörungen. Der Gutachter schrieb, dass über die Häufigkeit dieses Phänomens keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen würden. Aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung schätzte er den Anteil auf etwa zehn Prozent der Adoptivkinder.
    Je mehr ich darüber nachdachte, desto sicherer wurde ich mir. Bei Monika Packer muss es sich um eine deprivationsgeschädigte Person handeln, die fähig war, aus irgendeinem nichtigen Anlass heraus, ihr Haus anzuzünden und dabei ganz bewusst auch noch ihr eigenes Kind umzubringen.
    Als ich mit meinen Ausführungen fertig war, schüttelten die meisten Kolleginnen und Kollegen den Kopf. Niemand wollte zunächst den Verdacht gegen Monika Packer mit mir teilen. Es klang einfach zu absurd, dass diese Frau der Feuerteufel war und ihren einzigen Sohn auf dem Gewissen haben sollte. Doch ich hatte erreicht, dass man zumindest über diese Möglichkeit nachdachte. Ich nahm Monika Packer noch genauer unter die Lupe.
    Durch Befragungen von Angehörigen, Freunden und Bekannten stellte sich heraus, dass sie im Alter von vier Jahren von ihrer leiblichen Mutter weggegeben worden war. Sie kam in ein Heim und danach in eine Pflegefamilie, wo sie regelmäßig durch überharte Strafen misshandelt wurde. Zum Beispiel musste sie eine ganze Nacht lang im eiskalten Wasser einer Badewanne sitzen, weil sie aus Sicht des Pflegevaters nicht artig war.
    Mit fünfeinhalb Jahren wurde sie von dem bis dahin kinderlosen Ehepaar Alfred und Dagmar Stein adoptiert. Ab da ging es ihr gut. Sie wurde liebevoll behandelt, obwohl sie oft sehr schwierig war.
    In der Schule wurde sie als Waisenkind gehänselt. Es gab Vorfälle, die sich weder die Lehrer noch die Eltern erklären konnten. So zerbrach Monika Packer anscheinend grundlos die Füllfederhalter ihrer Mitschüler. Während eines Schulfestes goss sie Terpentin über eine Torte. Gelegentlich zog sie andere Schüler einfach an den Haaren.
    Als sie etwas älter war, soll sie an Autos Antennen abgebrochen haben.
    Bereits mit 15 Jahren unternahm sie den ersten Selbstmordversuch. Weitere folgten. Nach mehreren Kurzzeitaufenthalten in der Psychiatrie kam sie schließlich in eine stationäre Langzeittherapie, die jedoch nicht den gewünschten Erfolg brachte. Weitere Suizidversuche folgten.
    Die Psychiater attestierten ihr ein ausgeprägtes Borderline-Syndrom und eine emotionale, instabile Persönlichkeitsstörung, die autoaggressive Folgen nach sich ziehen können.
    Mehrere Zeugen gaben an, dass Monika Packer zum Lügen und Stehlen neige. Schließlich machte ich einen Zeugen ausfindig, dessen Aussage aber dann ausnahmslos alle Mitglieder der Ermittlungsgruppe aufhorchen ließ: Monika, so behauptete der Mann, der sich als früherer Freund ausgab, habe vor etwa zehn Jahren in einem Treppenhaus einen Kinderwagen angezündet. Das Feuer wurde jedoch

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