Das Gesicht
auf Nachfragen bei offiziellen Stellen in Atlanta gefälscht und seine Einstellung damit erleichtert. Später hatten sie ihm den Weg in die Mordkommission des NOPD geebnet.
Er war Vater ein guter Sohn gewesen, pflichtbewusst und hingebungsvoll … bis er im vergangenen Jahr seine Zielstrebigkeit eingebüßt hatte. Die Vorbereitungen für den Krieg gegen die Menschheit, der immer noch mindestens zehn Jahre in der Zukunft lag, reizten ihn nicht mehr, und er hatte jedes Interesse daran verloren.
Schon seit ein paar Jahren fühlte er sich … unvollständig. Im Lauf der vergangenen zwölf Monate hatte sich dieses Gefühl verstärkt und einer furchtbaren Leere Platz gemacht, einem kalten, klaffenden Abgrund tief in seinem Innern, und dem Gefühl, unausgefüllt zu sein.
An den Menschen nahm er eine Lebenslust wahr, eine Freude, die er nicht empfand. Er wollte wissen, was es war, das diese Fähigkeit in ihnen hervorbrachte.
Jede Einzelheit seines eigenen physischen und mentalen Designs war durch den Download von Daten direkt ins Gehirn erzeugt worden, als Jonathan noch im Schöpfungstank gelegen hatte, damit er gebührende Ehrfurcht vor Victor, seinem Schöpfer, haben würde. Das brachte ihn auf den Gedanken, wenn er die menschliche Physiologie eingehend studierte und sie mit seiner eigenen verglich, sollte er in der Lage sein, auf das zu stoßen, was die Alte Rasse besaß und was ihm fehlte, vielleicht eine Drüse, die ein Hormon oder ein Enzym absonderte, das die Voraussetzung für Glück war.
Zuerst studierte er die menschliche Biologie. Er ackerte medizinische Fachliteratur durch.
In ihren Körpern stieß er aber nicht etwa auf etwas Komplexeres, sondern auf vergleichsweise weitaus simplere Mechanismen. Ihm fehlte nichts, was sie hatten, ganz im Gegenteil: Mit ihrer Strapazierfähigkeit war es nicht allzu weit her, und sie schienen weniger gut konstruiert zu sein als er mit seinem zweiten Herzen und anderen überzähligen Systemen.
Schließlich gelangte er zu der Überzeugung, dass sie doch eine Drüse oder ein Organ besaßen, das ihnen die Möglichkeit
von Glück erlaubte, aber dass sie selbst dieses Teilchen noch nicht entdeckt und als den Ursprung von Glück identifiziert hatten . Daher konnte er in keinem Lehrbuch etwas darüber finden.
Da der Neuen Rasse der unumstößliche Glaube an ihre Überlegenheit gegenüber gewöhnlichen Menschen bereits im Schöpfungstank eingeschärft wurde, zweifelte Jonathan nicht daran, dass er, indem er sich selbst weiterbildete, finden konnte, was den Physiologen der Alten Rasse entgangen war. Wenn er genug von ihnen aufschnitt und ihre Eingeweide durchsuchte, dann würde er – aufgrund seines schärferen Verstandes und seiner besseren Augen – die Glücksdrüse finden.
Als ein Serienmörder die Bühne betrat, erkannte Jonathan, dass seine Chance gekommen war. Jetzt konnte er sich selbst mit größter Vorsicht ans Sezieren machen und dann aushecken, wie es sich am besten einrichten ließ, all seine Leichen dem anderen Mörder zuzuschreiben. Zu eben diesem Zweck hatte er bei einem seiner beiden ersten Studienobjekte Chloroform eingesetzt.
Während O’Connor und Maddison ermittelten, arbeitete Jonathan im Hintergrund vierundzwanzig Stunden am Tag ohne Schlaf am Fall des Chirurgen. Er besaß ein unheimliches intuitives Gespür für die Mentalität des Mörders und ahnte schon zu einem frühen Zeitpunkt, dass sich seine Beute auf eine ähnliche Suche nach dem Glück begeben hatte wie er selbst. Aus diesem Grunde fand er rechtzeitig den Weg zu Roy Pribeaux, um zuzusehen, wie er die Zuckerwatteverkäuferin umwarb und sie ermordete.
Jonathan hätte Pribeaux durchaus gestatten können, für unbeschränkte Zeit so weiterzumachen wie bisher, hätten sich seine eigenen Verhältnisse nicht verändert. Etwas geschah mit ihm und versprach ihm die Erfüllung, nach der er sich schon so lange sehnte.
Die Erkundung des Innenlebens seiner beiden ersten
Studienobjekte hatte ihm keine neuen Erkenntnisse vermittelt. Und was er mit Bobby Allwine getan hatte, war nicht Teil seiner wissenschaftlichen Untersuchungen gewesen, sondern schlicht ein Akt der Barmherzigkeit. Bobby hatte sich gewünscht zu sterben, und da das Mordverbot, das Vater bei ihnen allen programmiert hatte, bei Jonathan zusammengebrochen war, hatte er seinem Freund den Gefallen tun können.
Aber obwohl er nichts entdeckt hatte, was seinem Verständnis des Quells menschlichen Glücks förderlich war, hatte Jonathan begonnen,
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