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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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einen Tisch und wurden auf eine Weise vom Sonnenschein liebkost, die ihnen den Anschein gab, von innen heraus zu leuchten.
    Der Künstler hatte diese reife Fülle realistisch dargestellt, und doch war es ihm gelungen, subtil und ohne Sentimentalität die Vergänglichkeit selbst der süßesten Gaben der Natur anzudeuten.
    Während Erika gebannt van Huysums Genie bewunderte,
nahm sie unterbewusst ein verstohlenes Huschen wahr. Das Geräusch wurde lauter, bis es sie schließlich von dem Gemälde ablenkte.
    Als sie sich umdrehte, um sich im Salon umzuschauen, sah sie sofort, woher das Geräusch kam. Wie ein fünfbeiniger Krebs auf einer seltsamen Mission kroch eine abgetrennte Hand über den antiken Perserteppich.

63
    Detective Dwight Frye wohnte in einem Bungalow, der mit Bougainvillea derart überwuchert war, dass das Hausdach und das Vordach über der Veranda vollständig darunter verschwunden waren. Blütenblätter – bei Tag leuchtend rosa, aber in diesem Licht etwas gedämpfter – ergossen sich von sämtlichen Dachtraufen, und die gesamte Nordwand war mit einem Gespinst aus Ranken überzogen, die vor den Fenstern zufällige Gittermuster webten.
    Der Rasen vor dem Haus war seit Wochen nicht mehr gemäht worden. Die Stufen zur Veranda waren schon vor Jahren eingesackt. Es konnte gut sein, dass das Haus seit einem Jahrzehnt nicht mehr frisch angestrichen worden war.
    Falls Frye hier zur Miete wohnte, war der Hausbesitzer ein Geizkragen. Falls ihm das Haus gehörte, war er tief gesunken.
    Die Haustür stand offen.
    Durch das Fliegengitter konnte Carson ein schummeriges gelbes Licht weiter hinten im Haus sehen, in Richtung Küche. Als sie keinen Klingelknopf finden konnte, klopfte sie an die Tür, dann lauter, und rief: »Detective Frye? He, Dwight, wir sind es, O’Connor und Maddison.«

    Frye schleppte sich in Sicht, von dem Licht in der Küche von hinten angestrahlt. Er bewegte sich so schlingernd durch den Korridor wie ein Matrose, der sich bei starkem Seegang auf Deck vorankämpft.
    Als er die Haustür erreicht hatte, schaltete er das Licht auf der Veranda ein und blinzelte die beiden durch das Fliegengitter an. »Was wollt ihr Arschlöcher hier?«
    »Für den Anfang täte es ein Hauch der viel gerühmten Gastfreundschaft des Südens«, sagte Michael.
    »Ich bin aus Illinois«, sagte Frye. »Und von da hätte ich nie weggehen sollen.«
    Er trug eine ausgeleierte Hose, die von Hosenträgern gehalten wurde. Das schweißgetränkte Unterhemd klebte an ihm und brachte seine unappetitlichen Brüste so unvorteilhaft zur Geltung, dass Carson jetzt schon damit rechnete, sie demnächst in einigen ihrer Alpträume auftauchen zu sehen.
    »Im Fall des Chirurgen tut sich was«, sagte sie. »Es gibt da etwas, was wir unbedingt wissen müssen.«
    »Ich habe es euch doch schon in der Bücherei gesagt – ich habe kein Interesse mehr daran.«
    Fryes Haare und sein Gesicht glitzerten, als hätte er in einem Fass Öl nach Oliven getaucht.
    Als Carson sein Geruch in die Nase drang, wich sie einen Schritt von der Tür zurück und sagte: »Was ich wissen muss, ist, wann Sie und Harker sich in Bobby Allwines Wohnung umgesehen haben.«
    Frye sagte: »Je älter ich werde, desto weniger liegen mir die glitschigen, triefenden roten Fälle. Heute würgt keiner mehr. Sie hacken und zerstückeln bloß noch. Das liegt an diesen unseligen kranken Hollywood-Einflüssen, verflucht noch mal.«
    »Allwines Wohnung?«, half sie seinem Gedächtnis auf die Sprünge. »Wann waren Sie da?«
    »Hören Sie mir überhaupt zu?«, fragte Frye. »Ich bin nie
dort gewesen. Vielleicht machen euch rausgerissene Herzen und tropfende Eingeweide ja an, aber ich werde auf meine alten Tage so zimperlich, dass mir von so was speiübel wird. Das ist euer Fall, und von mir aus könnt ihr ihn mit dem größten Vergnügen haben.«
    Michael hakte nach. »Sie sind nie dagewesen? Woher weiß Harker dann von den schwarzen Wänden und den Rasierklingen? «
    Frye zog eine Grimasse, als wollte er ausspucken, aber dann antwortete er: »Was für Rasierklingen? Wieso seid ihr Zimperliesen überhaupt so schlecht drauf?«
    Carson sagte zu Michael: »Witterst du hier Wahrheit?«
    »Er dünstet sie aus allen Poren aus«, erwiderte Michael.
    »Ausdünsten – ist das eine Art blöder Scherz?«, polterte Frye.
    »Ja, allerdings«, sagte Michael.
    »Wenn ich nicht schon reichlich angetrunken und milde gestimmt wäre«, meinte Frye, »dann würde ich jetzt dieses Fliegengitter öffnen und

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