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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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dir einen Tritt ins Gekröse geben.«
    »Ich weiß Ihre Zurückhaltung sehr zu schätzen«, antwortete Michael.
    »Ist das eine Form von Sarkasmus?«
    »Ja, allerdings«, sagte Michael.
    Carson wandte sich von der Tür ab und brummte auf dem Weg zu den Stufen: »Na los, jetzt komm schon.«
    »Aber ich und das Ding aus dem Sumpf«, protestierte Michael, »wir unterhalten uns doch gerade so nett miteinander.«
    »Das ist wohl schon wieder ein blöder Witz, was?«, ereiferte sich Frye.
    »Ja, allerdings«, sagte Michael, während er Carson die Stufen von der Veranda hinunter folgte.
    Als sie an ihre Begegnungen mit Harker im Lauf der letzten Tage zurückdachte, fiel Carson auf dem Weg zum Wagen in Laufschritt.

64
    Nachdem er Jenna an den Hand- und Fußgelenken an dem Autopsietisch in seinem Schlafzimmer festgebunden hatte, benutzte Jonathan Harker eine Schere, um ihre Kleidungsstücke aufzuschneiden.
    Mit einem angefeuchteten Wattebausch wischte er behutsam das Blut von der Umgebung ihres linken Nasenlochs. Das Nasenbluten war bereits versiegt.
    Jedes Mal, wenn sie zu sich zu kommen schien, setzte er die Plastikflasche ein und drückte sie behutsam zusammen, um ihr zwei oder drei Tropfen Chloroform direkt unter den Nasenlöchern über die Oberlippe zu tröpfeln. Sie atmete die Dämpfe der Flüssigkeit ein, die rasch verdunstete, und wich wieder in die Bewusstlosigkeit zurück.
    Als die Frau nackt war, berührte Jonathan sie überall, wo er wollte, weil er auf seine Reaktion gespannt war. Oder, genauer gesagt, seine ausbleibende Reaktion.
    Sex – vollständig losgelöst von dem Vermögen, sich fortzupflanzen – war für die Angehörigen der Neuen Rasse das vorrangige Mittel, um Stress abzubauen. Sie standen einander auf Wunsch zur Verfügung, und das in einem Ausmaß, das selbst die ausschweifendsten Freidenker der Alten Rasse als schockierend empfunden hätten.
    Sie konnten immer, wenn es von ihnen verlangt wurde. Sie brauchten keine Schönheit, keine Leidenschaft und auch keine Form von zärtlichen Gefühlen, um ihr Begehren zu stimulieren.
    Bei ihnen hatte das Begehren nichts mit Liebe zu tun, lediglich mit grundlegenden Bedürfnissen .
    Junge Männer kopulierten mit alten Frauen, alte Frauen mit jungen Frauen, junge Mädchen mit alten Männern, die Dünnen mit den Dicken, die Schönen mit den Hässlichen, in jeder erdenklichen Kombination, und jeder Einzelne von
ihnen tat es ausschließlich zu dem Zweck, sich zu befriedigen, ohne dem anderen gegenüber zu etwas verpflichtet zu sein, ohne größere Vorlieben als bei der Nahrung, die sie zu sich nahmen, und ohne jede Erwartungshaltung, der Sex würde zu einer Beziehung führen.
    Tatsächlich wurden persönliche Beziehungen zwischen Angehörigen der Neuen Rasse sogar missbilligt. Jonathan hatte manchmal den Verdacht, in ihnen als Spezies sei die Unfähigkeit zu Beziehungen in einer der Formen, wie sie die Alte Rasse erlebte und definierte, als fester Wesensbestandteil integriert.
    Paare, die sich aneinander binden, sind der endlosen Serie von Eroberungen hinderlich, die das einheitliche Ziel sämtlicher Angehörigen der Neuen Rasse zu sein hat. Dasselbe gilt für Freundschaften. Und für Familien.
    Damit die Welt geeint ist, muss jedes denkende Wesen dieselbe Antriebsfeder und dasselbe Ziel haben. Alle müssen nach einem stark vereinfachten Wertesystem leben, um keinen Raum für das Konzept ethischer Grundsätze und die daraus resultierenden Meinungsverschiedenheiten zu lassen.
    Da Freundschaften und Familienzugehörigkeit vom großen einheitlichen Ziel der Spezies ablenken, muss der ideale Bürger in seinem Privatleben ein Einzelgänger sein, sagt Vater. Als Einzelgänger ist er in der Lage, seine Leidenschaft ausschließlich in den Dienst des Triumphs und des Ruhmes der Neuen Rasse zu stellen.
    Als er Jenna jetzt berührte, wo er wollte, und nicht in der Lage war, das Bedürfnis in sich zu wecken, das als Begehren galt, drängte sich Jonathan der Verdacht auf, das Unvermögen, Sex mit Angehörigen der Alten Rasse zu haben – oder zumindest das Desinteresse daran –, sei ebenfalls als fester Bestandteil in die Neue Rasse integriert.
    Zu den stets direkt ins Gehirn heruntergeladenen Daten
gehört auch eine grundsätzliche Geringschätzung der Alten Rasse. Verachtung kann natürlich zu einem Gefühl von rechtmäßiger Vorherrschaft führen, zu der auch Formen sexueller Ausbeutung zählen. Das tritt jedoch bei der Neuen Rasse nicht ein, möglicherweise deshalb, weil

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