Das Gesicht
dessen sich Arnie O’Connor erfreut, an sich zu bringen.
Diese kleine Rotznase. Dieser hassenswerte kleine Wurm, der das Geheimnis des Glücks egoistisch für sich behält. Welches Recht hat er , glücklich zu sein, wenn eines von Vaters Kindern, das ihm in jeder Hinsicht überlegen ist, keine Gnade und keine Barmherzigkeit findet, sondern elende Qualen erleidet?
Wieder tippt er den Code ein. Ein Surren ertönt.
Er drückt gegen die Tür. Sie öffnet sich.
Randal sechs buchstabiert sich über die Schwelle der Barmherzigkeit hinaus ins Unbekannte.
61
Carson hörte den Soundtrack eines Gruselfilms durch die Tür dringen. Sie drückte auf die Klingel und läutete noch einmal, ehe das Echo der Tonfolge in der Wohnung hinter der Tür vollständig verklungen war.
Michael kam in Jeans, einem Unterhemd und mit Socken an den Füßen an die Tür. Zerzaustes Haar. Verquollenes Gesicht. Schwere Augenlider, auf denen noch das Gewicht
des Schlafs lastete. Er musste in seinem breiten Liegesessel mit dem grünen Kunstlederbezug eingedöst sein.
Er sah ganz allerliebst aus.
Carson wünschte, er wäre verdreckt gewesen. Oder verlottert. Oder schäbig. Oder einfach nur dämlich.
Das Letzte, was sie wollte, war, sich von ihrem Partner körperlich angezogen zu fühlen.
Aber er sah so knuddelig aus wie ein Teddybär. Noch schlimmer war, dass sein Anblick sie mit einer wohltuenden, warmen Empfindung erfüllte, die größtenteils Zuneigung war, aber nicht gänzlich frei von einem Element des Begehrens.
Mist.
»Es ist erst zehn Uhr«, sagte sie und schob sich an ihm vorbei in die Wohnung, »und du schläfst vor dem Fernseher. Was sind das für orange Krümel auf deinem T-Shirt? Cheez Doodles ?«
»Genau«, sagte er und folgte ihr ins Wohnzimmer. » Cheez Doodles . Du stellst mal wieder dein fachliches Können unter Beweis.«
»Kann ich davon ausgehen, dass du nüchtern bist?«
»Nee. Ich hab’ zwei Diätlimonaden getrunken.«
Er gähnte, streckte sich und rieb mit einem Handrücken seine Augen. Er sah zum Fressen aus.
Carson versuchte, diesen Gedankengang auf eine andere Schiene umzuleiten. Sie deutete auf die wuchtige grüne Relaxliege und sagte: »Das ist der hässlichste Klumpen von einem Sessel, den ich je gesehen habe. Sieht aus wie ein Schimmelpilz, den sie in der Hölle aus einer Latrine geschabt haben.«
»Ja, aber es ist mein Schimmelpilz aus der Höllenlatrine, und ich liebe ihn.«
Sie deutete auf den Fernseher und fragte: » Die Dämonischen ?«
»Das erste Remake: Die Invasion der Körperfresser .«
»Wie oft hast du das schon gesehen – zehnmal?«
»Wahrscheinlich eher zwölfmal.«
»Wenn es um Glamour geht, bist du der Cary Grant deiner Generation.«
Er grinste sie an. Sie wusste, warum. Mit ihrem bärbeißigen Auftreten konnte sie ihn nicht täuschen. Er nahm deutlich wahr, welche Wirkung er auf sie hatte.
Als sie merkte, dass sie errötete, wandte sich Carson von ihm ab, griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. »Es tut sich was in unserem Fall. Wir müssen los.«
»Wie meinst du das?«
»Ein Typ ist vom Dach gesprungen und so zerschmettert, dass man ihn nur noch vom Pflaster kratzen kann, und hinterlassen hat er eine Gefriertruhe voller Leichenteile. Sie behaupten, er sei der Chirurg. Vielleicht ist er das – aber er hat sie nicht alle umgebracht.«
Michael setzte sich auf die Kante des Sessels, um seine Schuhe zuzubinden, und sagte: »Was – hat er etwa einen Killerkumpel oder einen Trittbrettfahrer?«
»Ja. Eines von beidem. Wir haben diese Idee zu leichtfertig abgeschrieben.«
»Ich schnappe mir nur schnell ein frisches Hemd und eine Jacke«, sagte er.
»Vielleicht solltest du das bekleckerte T-Shirt auch gleich wechseln, wenn du schon dabei bist«, sagte sie.
»Unbedingt. Ich will dich doch vor irgendwelchem kriminellen Abschaum nicht in Verlegenheit bringen«, erwiderte er und zog sich das T-Shirt über den Kopf, während er das Zimmer verließ.
Er wusste genau, was er tat: Er gab ihr was zu gucken. Und sie guckte. Prima Schultern. Gute Bauchmuskulatur.
62
Erika schlenderte durch die stille Villa und blieb häufig stehen, um Victors Sammlung europäischer und asiatischer Antiquitäten zu betrachten.
Wie jeden Abend hatten sich die neun Hausangestellten – der Butler, die Hausmädchen, die Köchin, der Putztrupp, die Gärtner – in ihre Unterkünfte über der Garage, die Platz für zehn Wagen bot, am hinteren Ende des Grundstücks zurückgezogen.
Sie
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