Das Gespenst der Nacht
haben Sie doch was zu tun. Sie müssen eigentlich ein offenes Haus haben.«
»Das habe ich auch.«
»Sehe ich was?«
»Im Moment nicht. Es gibt auch Zeiten, wo man eine Pause einlegen muss.«
»Wie heute?«
»Ja.«
Bill lächelte vor sich hin. Er wusste längst, was los war. Er hatte an der linken Halsseite die roten Wunden gesehen, die zwei Vampirzähne hinterlassen hatten. Bill hatte das Spiel bisher mitgemacht. Er würde es auch noch weiter durchziehen.
Draußen fing die Dunkelheit an, den Tag abzulösen. Es wurde schattiger, und das konnte einem Blutsauger nur entgegenkommen. Bill wusste, dass es zwischen ihnen ein Katz-und-Maus-Spiel war, auf das er sich gern einließ.
»Dann können Sie ja mein Haus verlassen. Kommen Sie morgen wieder, da kann ich Ihnen bestimmt mehr sagen.«
»Das glaube ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil Sie lügen, das ist ganz simpel. Sie werden mir nicht die Wahrheit sagen.«
»Ach. Und wie kommen Sie darauf?«
»Haben Sie sich Ihren Hals an der linken Seite schon mal näher angesehen?«
»Nein, warum sollte ich?«
»Weil sich dort die beiden Beweismittel abzeichnen.«
»Was meinen Sie?«
»Die Bissstellen, die von Vampirzähnen verursacht wurden. Genau die haben Sie am Hals, und ich gehe mal davon aus, dass Sie ein Vampir sind.«
Susan Winter lachte. Sie wusste, dass man sie durchschaut hatte. Es machte ihr nichts mehr aus. Sie hätte es auch kaum noch aushalten können.
Das Blut eines Menschen war einfach zu nah. Sie hörte es schon in den Adern rauschen.
Dann griff sie an.
Sie tat es mit einer immensen Wucht. Es war ein regelrechter Anfall, der ihre Wut explodieren ließ. Sie schrie dabei etwas Unverständliches und sie schaffte es tatsächlich, den Reporter zu überraschen. Beide hatten zu nahe beisammen gestanden, und für Bill hatte es keine Chance mehr gegeben, auszuweichen.
Er nahm den Rammstoß und den Aufprall voll hin. Dabei kippte er zurück und prallte gegen die Wand. Und dann sah er die Blutsaugerin dicht von sich. Sie hatte ihren Mund weit aufgerissen. Er war zum Maul geworden, und sie gab den Beweis preis, dass sie ein Blutsauger war, denn aus dem oberen Kiefer stachen zwei lange Zähne hervor, die zum Ende hin spitz zuliefen.
Sie wollte das Blut der Menschen. Sie war zu einer Wiedergängerin geworden. Sie brauchte den Lebenssaft der Menschen, und jetzt war Bill Conolly der Spender.
Susan Winter stürzte sich auf ihn. Sie war sehr schnell, sodass Bill nicht dazu kam, seine Waffe zu ziehen.
Ihn erwischte ein Schlag in den Unterleib. Er röchelte, sackte zusammen, was Susan entgegenkam.
Als sein Kopf eine bestimmte Höhe erreicht hatte, griff sie zu und packte beide Ohren. Dann stieß sie den Kopf zurück, sodass er gegen die Wand prallte.
Das war der nächste Hammer. Bill sah die berühmten Sterne vor den Augen, er hörte das Gekreische und dann packte wieder jemand seinen Kopf.
Diesmal wehrte sich Bill.
Er riss sein rechtes Bein hoch, das er angewinkelt hatte. Das Knie traf die Gestalt im Unterleib und wühlte sich dort fest. Es war eine gute Abwehrmaßnahme gegen einen Menschen. Bei einem Blutsauger wurde es kompliziert. Der war so nicht zu beeindrucken.
Keine Schmerzen.
Dafür hörte Bill ein Lachen.
Er stieß noch mal nach.
Diesmal ins Leere, denn die Untote war nicht mehr da. Jemand war erschienen, hatte sie gepackt, von Bill weggerissen und dabei zur Seite geschleudert.
Und dieser jemand war ich!
***
Ich sah noch das überraschte Gesicht der Blutsaugerin.
Mein Hammerschlag hatte sie an der linken Kopfseite getroffen, und jetzt taumelte sie von Bill weg auf die Mitte der Diele zu.
Ich folgte ihr. Hinter mir rief Bill etwas, das ich nicht verstand. Es war auch nicht wichtig. Mich interessierte die Blutsaugerin und ich hatte so ein paar andere Gedanken.
Ich wollte nicht bestätigen, dass es Melissa Hunter war, die Chefin. Nein, die Chefin sah anders aus. Sie musste anders aussehen, denn sie hatte Format, und diese hier nicht.
Sie kam mir vor wie eine junge Frau, die den Überblick verloren hatte, die einfach nur Blut wollte.
Ich sprach sie an. »Wer bist du?«
Sie fluchte nur.
»Du bist nicht Melissa Hunter.«
»Nein, das bin ich nicht.«
»Na, wie schön.«
Sie brauchte nicht zu atmen. Es waren ähnliche Geräusche, die sie mir entgegen schickte. Ihr Gesicht war verzogen. Sie fuchtelte mit den Händen herum. Sie stieß manchmal die Fäuste vor, um einen Scheinangriff zu starten.
Ich blieb gelassen. »Wie heißt du
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