Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
Vom Netzwerk:
Met schenkte ihm keine Frische.
    »Was machst du denn hier?«, entfuhr es ihm unwirsch.
    Johanna fuhr herum, sie hatte ihn offenbar nicht kommen sehen. Als sie ihn erblickte, erhellte sich ihre sorgenvolle Miene kurz, doch als er mürrisch seine Stirn verzog, sah er, wie ihr Blick versteinerte. Sie schien verbergen zu wollen, dass seine rüde Frage sie kränkte.
    »Ich wollte herausfinden, was dich hier in Senlis festhält«, gab sie knapp zurück, ohne ein Wort des Grußes zu verschwenden. »Mittlerweile schon länger als einen Monat. Du hast weder auf die Briefe geantwortet, die der Graf dir schickte, noch hast du seinem Boten erklärt, was du hier treibst und warum. Erklärst du dich zumindest mir?«
    Seit langem fürchtete er derartige Fragen, wenngleich er nicht erwartet hatte, sie aus Johannas Mund zu hören. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie Laon jemals verlassen hatte, seit sie seine Amme geworden war. Dass sie nun seinetwegen die anstrengende Fahrt auf sich genommen hatte, rührte ihn jedoch nicht, sondern gab ihm das Gefühl, in die Enge getrieben zu werden.
    »Muss ich das denn?«, gab er unwirsch zurück. »Bin ich gezwungen, mich ständig für alles zu rechtfertigen, was ich tue? Ich bin ein Vasall des Kaisers, nicht ein Leibeigener von Graf Robert.«
    Kaum merklich zuckte sie zurück, und schon reute es ihn, ihr zuzusetzen. Freilich, sie machte nicht den Eindruck, als würde sie ein Wortgefecht scheuen.
    »So hat er dich auch nie behandelt«, sagte sie streng. »Du bist ihm ein Sohn – genauso wie mir. Kannst du dir nicht denken, dass wir uns Sorgen machen, weil wir nichts von deinen Plänen wissen?«
    Er rieb sich die schmerzenden Schläfen. »Ihr müsst euch keine Sorgen machen. Und ich habe keine Pläne.«
    »Aber …«
    »Ludwig ist in der Bretagne«, unterbrach er sie. »Er hat gegen den Willen seines Vaters geheiratet und lebt jetzt am Hof von
Dux
Salomon, wo sie sich gemeinsam auf den Krieg vorbereiten.Ist es dein Wunsch, dass ich bei der Revolte an seiner Seite stehe? Wenn ich mich recht erinnere, wolltest du schließlich stets, dass ich um seine Freundschaft buhle!«
    Johanna schüttelte mit sichtlichem Missfallen den Kopf. Was er sagte, schien sie nicht sonderlich zu überraschen, was ein Zeichen dafür war, dass sich Ludwigs Vorgehen im ganzen Reich herumgesprochen hatte.
    »Prinz Ludwig ist ein Schwächling und ein Träumer!«, sagte sie jäh.
    Er blickte verwundert auf. »Das sagst du jetzt?«, fragte er entsetzt. »Nach all den Jahren, da ich stets getan habe, was er wollte, und du mich darin bestärkt hast?«
    »Er ist ein Schwächling und ein Träumer«, wiederholte Johanna ihre Worte, um dann milder fortzufahren: »Aber er ist der Sohn des Königs. Darum war es gut und richtig, dass du sein treuer Waffengefährte warst. Wenn er sich freilich vom König lossagt, ist es besser, du hast nicht länger mit ihm zu tun. Du hast dich richtig entschieden, ihm nicht zu folgen. Doch nun … nun solltest du genau diese Tatsache König Karl unter die Nase halten. Du musst dich dem Vertrauen, das er in dich gesetzt hat, würdig erweisen und dich wieder um dein Lehen kümmern, anstatt dich hier in Senlis zu verkriechen. Warum bist du nicht längst in Flandern?«
    Balduin zuckte unbehaglich die Schultern. Diese Frage verfolgte ihn schon lange. Doch was immer sie heraufbeschwor – Unbehagen, Überdruss und eine magere Erinnerung an die verregnete Zeit, die er an diesem Küstenstreifen zugebracht hatte, um ihn gegen die Gefahr aus dem Norden zu befestigen –, es war nichts von seinem anfänglichen Eifer dabei. Mit Inbrunst hatte er sich im letzten Jahr auf die Aufgabe gestürzt, eigenes Land zu verwalten, erfreut darüber, Ludwigs Gegenwart zu entfliehen und sein eigener Herr zu sein. Er war sich gewiss gewesen, all das erreicht zu haben, was er stets gewollt hatte.
    »Warum bist du nicht längst in Flandern?«, bedrängte ihn Johanna erneut. »Warum zeigst du dem König nicht, dass du ein treuer Vasall bist?«
    »Hier lebt immerhin des Königs Tochter«, erwiderte er knapp. »Vielleicht bin ich am rechten Ort.«
    »So ist es also«, sprach sie und nickte düster, als wäre, was er eben gesagt hatte, keine überraschung. Die nächsten Worte spuckte sie wie Gift aus: »Ein Weib!«
    Er hob seine Schultern, als wollte er sich gegen weitere scharfe Worte wappnen. Zu seinem Erstaunen blieben sie aus – vielleicht, weil sie bereits alles wusste, alles, was er sich selbst nicht eingestehen

Weitere Kostenlose Bücher