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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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dieser Schwelle gestanden.
    »Geht nicht hinein!«, tönte da plötzlich eine zarte Stimme hinter ihm. Er fuhr herum, erkannte eine ihrer Damen, die, wenn ihn das Gedächtnis nicht trog, den Namen Adelheid trug, ein schüchternes, frommes Mädchen.
    »Warum nicht?«
    Ob seines fordernden Blicks krümmte sich das scheue Mädchen unbehaglich. »Ich … ich weiß nicht, was sie tut. Sie wollte allein gelassen werden. Nur Madalgis hilft ihr …«
    »Hilft ihr wobei?«
    Adelheid schlug entsetzt die Hände vor den Mund, als habe sie damit schon zu viel verraten. »Ich weiß es nicht. Sie hat es uns doch nicht gesagt!«, stieß sie errötend hervor, dann stürmte sie fort.
    Balduin zögerte nicht länger. Beherzt klopfte er an, und nochehe er hineingebeten wurde, öffnete er schon die Tür, trat ins Gemach – und gewahrte, wie beide Frauen, die sich darin befanden, zusammenzuckten.
    Madalgis fiel auf die Knie, um das, was sie gerade in Händen hielt, vor seinem Blick zu verbergen, und Judith, die an ihrem Pult einen Brief schrieb – als Balduin nähertrat, erkannte er, dass er in ebenmäßigen Minuskeln gehalten war –, bedeckte unwillkürlich die Schriftzeichen vor seinem neugierigen Auge. Die Frauen konnten jedoch nicht verhindern, dass Balduins Blick durch das Gemach schweifte und er augenblicklich erkannte, was dort vor sich ging. Da waren Truhen, mehr als nur eine, halb gefüllt mit Judiths Kleidern und mit ihrem Schmuck. In eine, die kleinste, wollte Madalgis offenbar gerade die Schreibutensilien stapeln: Papyrus, Tintenhörner und Federn, Messer zum Radieren sowie Kalbsund Schafshäute, die, wurden sie erst in Kalkwasser gelegt, danach gespannt und beidseitig abgeschabt, zum Beschreiben genutzt werden konnten.
    Madalgis schien zu begreifen, dass es keinen Sinn hatte, ihm etwas vorzumachen. Sie erhob sich wieder und fuhr mit dem Packen fort. Zu offensichtlich war, dass Judith eine Reise plante, wiewohl ihr doch verboten war, Senlis eigenmächtig zu verlassen.
    »Werdet … werdet Ihr mich an den König verraten?« Judith hatte den Blick auf den Brief wieder freigegeben. Sie versuchte, gleichgültig zu klingen und zu verbergen, dass ihr Geschick auf dem Spiel stand.
    »Ihr wollt aus Senlis fliehen?«, fragte Balduin fassungslos. »Aber ich dachte, Ihr heißt Ludwigs Revolte nicht gut! Und nun seid Ihr bereit …«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich zu Ludwig will«, unterbrach sie ihn. »Ich will versuchen, nach Lothringen zu kommen. Einer meiner Vettern, Lothar mit Namen, ist dort König. Ich … ich stehe seit geraumer Zeit mit ihm im Kontakt. Auch dieser Brief hier ist an ihn gerichtet und soll ihm meine baldige Ankunft ankündigen. Er hat mir immer wieder zugesichert, mich aufzunehmen,wenn ich nicht länger in der Obhut meines Vaters bleiben will.«
    »Doch warum ausgerechnet jetzt?«, fragte er verwirrt.
    »Warum wohl?«, gab sie merklich kühl zurück und zuckte zunächst die Schultern, als wäre damit alles gesagt. Dann freilich fuhr sie erklärend fort: »Mein Vater weiß, wie nahe ich Ludwig stehe, und er war immer misstrauisch. Wenn er erst Ludwig bezwungen hat, wird er mich strafen, da ich ja angeblich dessen Verrat unterstützt habe. Er wird diesen Ort in einen noch engeren Kerker verwandeln oder – was mir wahrscheinlich scheint – mich eiligst einem seiner Verbündeten zur Gattin geben.«
    Balduins Blick richtete sich auf Madalgis. Offenbar war sie die Einzige, der Judith vertraute, wohingegen sie vor den anderen Damen ihre Pläne verborgen hielt. Sie starrte ihn an, trotzig, kampfbereit, als wollte sie ihm einen lebenslangen Kampf androhen, falls er die Königin verriete.
    »Wer wird mit Euch gehen?«, fragte er.
    Judith senkte den Kopf, bekundend, dass hier die Schwachstelle ihres Vorhabens lag. »Ich werde meine Damen nicht in Gefahr bringen«, erklärte sie rasch.
    »Ihr könnt nicht allein reisen, Ihr …«
    »Traut Ihr es mir etwa nicht zu?« Ihre Stimme klang kampfeslustig, doch er ging nicht darauf ein.
    »Ihr könnt nicht allein reisen«, bekräftigte er, und kurz fragte er sich, ob er wahnsinnig geworden war, als er hinzufügte: »Nehmt meinen Schutz an. Ich werde Euch begleiten.«
     
    Johanna war froh, spät am Abend auf ein vertrautes Gesicht zu stoßen. Sie hatte in Laon niemals Freunde gehabt, aber an Respekt hatte es nicht gefehlt. Als einstige Amme von Balduin und allwissend erscheinende Kräuterfrau, die bei Krankheit oft als Einzige helfen konnte, stand sie außerhalb der üblichen

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