Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
Vom Netzwerk:
Ordnung, das war unumstößlich. Hier in Senlis scherte sich jedoch keiner um sie, vor allem Balduin nicht. Seit Stunden hoffte sie, er würde sich um ihre Unterkunft kümmern, doch seit ihrer Ankunfthatte sie ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen. Suchend trieb sie sich in den Wirtschaftsgebäuden herum – der Bäckerei, der Küche, dem Brauhaus – und sehnte sich nach einem stillen Ort, wo sie sich ausruhen könnte, oder zumindest nach einem kräftigen Eintopf, der sie stärken würde. Doch sie scheute sich, jemanden darum zu bitten.
    Als der Zufall sie schließlich mit Madalgis zusammenführte, war sie so erleichtert, dass sie das Mädchen wie eine lang vermisste Verwandte begrüßte.
    »Madalgis! Gott sei Dank, dass ich dich hier finde!«
    Die braungelben Katzenaugen blickten sichtlich befremdet, als Johanna es sich obendrein nicht nehmen ließ, ihre Schultern zu umfassen und sie fest zu drücken. Madalgis löste sich aus der Umklammerung, nicht abrupt zwar, sondern geschmeidig, aber mit dem festen Willen, von Johanna nicht berührt zu werden.
    »Was machst du hier in Senlis?«, stellte sie die gleiche Frage wie zuvor Balduin.
    Johanna witterte die Ablehnung des Mädchens, doch sie wollte nicht in der Erinnerung kramen, wie sie eigentlich auseinandergegangen waren. Sie wusste noch … es hatte diese Sache mit Madalgis’ Kind gegeben … dass sie ihr geraten hatte, es nicht zu bekommen … und dass das Mädchen daraufhin sämtliche Haare verloren hatte. Einige Zeit später war sie plötzlich aus Laon verschwunden – und Johanna hatte nie gefragt, was aus ihr geworden war.
    »Sag mir, was hier vorgeht!«, befahl sie fordernd. »Balduin … Balduin ist ja nicht mehr er selbst! Was hat dieses … Weib mit ihm gemacht?«
    Madalgis’ Atem, der ob der unerwarteten Begegnung mit Johanna hastiger gegangen war, beruhigte sich. Sie verkreuzte die Hände vor ihrer Brust.
    »Du sprichst von einer Königin«, sagte sie.
    »Sei’s drum!«, rief Johanna müde und überreizt. »Hat sie ihm ein Zaubermittel gegeben?«
    »So wie du mir, du alte Hexe?« Madalgis’ Stimme klang feinund leise, ihr Lächeln war höflich. Einzig ihre Worte spuckten alten Grimm aus.
    Johanna achtete nicht darauf. »Was will Balduin von ihr? Was … was plant er?«
    »Ich glaube vielmehr, die Königin plant etwas … vielleicht ihre Flucht aus diesem Gefängnis?« Madalgis’ Lächeln wurde milder, umso mehr, als Johanna scharf ausatmete.
    »Lieber Himmel – und er soll ihr dabei helfen? Sie wird seinen Ruf vollends zerstören!«
    Madalgis löste ihre verkreuzten Hände von der Brust, drehte sich um, so gewandt, als wäre es Teil eines Tanzes. Zunächst schien es Johanna, als wollte die andere sie einfach stehen lassen. Doch dann, als sie ihr schon den Rücken zugewandt hielt, schien Madalgis zu dem Schluss zu kommen, dass sie ihr mit stichelnden Worten mehr zusetzen konnte als mit strafendem Schweigen.
    »Wenn es hier eine Frau gibt, die jemanden zerstört, dann bist du das, Johanna«, erklärte Madalgis, ohne jegliche Bitterkeit, sondern mit diesem gleichbleibend höflichen, ausdruckslosen Tonfall. »Judith ist das nicht. Im Gegenteil.«
    Ihre Hand griff nach dem Schleier, und mit einem Ruck zog sie ihn sich vom Kopf. Johanna wappnete sich gegen den Anblick einer grässlichen Glatze, doch nichts davon war zu sehen. Madalgis’ Kopf war wieder mit Haar bedeckt, zwar nur mit dünnem, schulterlangem, aber dafür in einem gleichmäßigen Wuchs.
    »Mein Haar ist wieder gewachsen«, sagte sie. »Mein Haar ist wieder gewachsen.«
    Verständnislos starrte Johanna sie an.
    »Verstehst du denn nicht?«, schrie Madalgis da plötzlich auf. »Judith hat mich geheilt! Sie ist keine Frau, die viele Worte macht. Anfangs hat sie überhaupt nicht mit mir gesprochen, mich nur beobachtet, und erst nach einigen Tagen ist sie zu mir gekommen. Als ich vor ihr kniete, hat sie mich aufgerichtet. Und weißt du, was sie gesagt hat? Weißt du es?«
    Johanna schüttelte unwillig den Kopf. Sie wollte diese Geschichten nicht hören. Sie hatte keine Zeit dafür, aber Madalgis fuhr fort.
    ›»Sag mir deinen Namen!‹, hat sie gesagt. ›Sag ihn mir!‹ – ›Aber Ihr wisst doch, wie ich heiße, Königin !‹ – Da gab sie zurück: ›Aber mir scheint, du weißt es nicht. Du weißt nicht, wer du bist. Du klammerst dich an Männer, ich hab’s gesehen, und wenn du es weiterhin machst, wird es dich zerstören. Du willst es doch gar nicht, oder? Du hasst doch ihre Berührungen,

Weitere Kostenlose Bücher