Das Geständnis der Amme
schrecklich traurig … Und wer will an einem Tag wie heute eine solch traurige Geschichte hören?«
Sie hatte ihn erreicht, schmiegte sich an ihn, fuhr mit ihren Händen an seinen Nacken. Vielleicht hatte sie ihn schon einmal dort gehalten, doch ihm war die Berührung nicht vertraut, nur lästig und unangenehm. Unwirsch schlug er ihre Hand weg.
»Aber, aber«, meinte sie. »Bin ich freundlich zu dir, solltest du es auch zu mir sein. Es gibt heute genügend andere, denen ich meine Gunst schenken könnte … und doch habe ich dich gewählt.«
»Ich will dich nicht!«
»Aber, aber«, wiederholte sie. Ihr heißer Atem traf ihn; er roch den Weindunst aus ihrem Mund. Der säuerliche Geruch war ihm widerwärtig, wiewohl er gleichen viel häufiger verströmt hatte als das Mädchen. »Weißt du, was mir an dir aufgefallen ist, Bal-duin?«, fuhr Joveta fort. »Immer erwartest du, dass die Frauen zu dir kommen. Von dir aus buhlst du nie um ihre Nähe. Manche Männer sind Jäger, du aber, Balduin, suchst dir nur Beute, die dir sicher ist, die bereits vor dir am Boden liegt.«
Ihr Atem kam nun stoßweise – eine warme Wolke, die ihn einhüllte, aber nicht einlullte.
»Ich habe gesagt, ich will dich nicht!«, schrie er.
»Und jetzt mimst du auch noch den Störrischen?«
Diesmal berührte sie ihn nicht am Nacken, sondern griff an seine Schläfen, streichelte sie kurz. Ihre Hände glitten schließlich tiefer zu seinen Ohrläppchen, um sie sanft zu massieren. Er spürte, wie die feinfühlige Haut zu brennen begann, ein dumpfes Pochen breitete sich aus, halb lustvoll, halb schmerzhaft. Kurz war er geneigt, ihm nachzugeben, doch dann blickte er in Jovetas Gesieht,das herausfordernd und irgendwie heimtückisch wirkte. Er wich zurück, aber beließ es nicht dabei, sondern versetzte ihr obendrein einen dumpfen Stoß gegen die Brust, nicht zornig, eher ungeduldig und doch unerwartet kraftvoll. Joveta entfuhr ein Schreckenslaut, dann strauchelte sie und fiel. Ihr Kopf schlug auf den kalten Boden auf. Sein Angriff war so überraschend gekommen, dass sie nicht rechtzeitig die Hände ausgestreckt hatte, um sich abzustützen.
»Joveta!«, rief er entsetzt und kniete sich zu ihr. Sie robbte von ihm fort, mit einem Ausdruck im Gesicht, den er noch nie an ihr wahrgenommen hatte, weder dreist noch verschlagen, nur von blinder, nackter Furcht, als bedrohte er ihr Leben.
»Joveta, ich wollte doch nicht …«
Es ging ihm auf, dass sie dereinst, als ihr Vater als Verräter festgenommen worden war, Schreckliches erlebt haben musste, und ihre jetzige Panik wohl von der Erinnerung daran verstärkt wurde.
Verstört senkte er den Blick und sah sie nicht an, als sie trocken aufschluchzte.
»Es tut mir leid«, murmelte er verlegen, »ich wollte dich nicht erschrecken, dir nicht wehtun … aber … aber du solltest deine Reize nicht an mich verschwenden, Joveta. Nicht heute und nie mehr.«
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XVII. Kapitel
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Einige Wochen später saß Balduin lustlos bei seinem Morgenmahl, einem grobkörnigen Getreidebrei, der ihn nicht satt zu machen, nur aufzublähen schien, als er erneut mit Joveta zusammenstieß.
Seit seiner Abfuhr hatte er das Seinige getan, ihr aus dem Weg zu gehen, und sie schien das gutzuheißen – bis jetzt zumindest, als ihr Schatten auf ihn fiel. Ausnahmsweise schwieg sie, anstatt ihm sofort mit ihrer unangenehmen Stimme zuzusetzen.
»Joveta, es ist vielleicht besser, wenn wir beide …«
»Du solltest nach draußen kommen«, erklärte sie so gleichgültig, als spräche sie mit einem Fremden. »Du hast einen Gast, und bevor du dich darüber erregst, dass ich es bin, die dir davon Kunde gibt – nun, es gibt hier nicht viele, die dir freiwillig zu nahe kommen. Weil niemand recht weiß, was du hier treibst und warum du nicht längst zu deinem Lehen zurückgekehrt bist.«
Balduin wusste es selbst nicht, aber das wollte er Joveta ganz gewiss nicht zeigen. Er nickte wortlos, schob seine Schüssel von sich und stand auf. Solange er ihren aufdringlichen Blick auf sich spürte, ging er gemessenen Schrittes. Erst als er den Saal verlassen hatte, konnte er seine Neugierde nicht zügeln und stürmte nahezu in den Hof.
Doch als er den Ankömmling, der nach ihm hatte fragen lassen, erblickte, schwand sein Elan augenblicklich.
Das hat mir noch gefehlt!, ging es ihm durch den Kopf, der ihn mit einem Mal schmerzte, als hätte er die letzten Tage saufend zugebracht. Das Gegenteil war der Fall gewesen – doch der Verzicht auf Wein und
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