Das Geständnis der Amme
Senlis bleiben!«, hatte Joveta schließlich bekundet. »Wer weiß, was mit mir geschieht, nun, da Judith in Ungnade gefallen ist.«
Madalgis war besonnener. »Ich komme mit«, hatte sie ruhig entschieden, jedoch offen gelassen, zu wem sie eigentlich wollte –zu Judith oder zurück in ihre alte Heimat.
Als sie nun aus dem Wagen stieg, musterte Johanna sie von der Seite. Während Joveta mit ihrem ständigen Geplapper und ihrer Wichtigtuerei nur allzu schnell ihre Gunst verspielt hatte, war ihre Achtung vor Madalgis gestiegen. Das Mädchen hatte noch die ebenso gierigen wie verbitterten Katzenaugen von früher, doch ansonsten hatte sie sich verändert. Sie war gelassener, beherrschter, irgendwie auch härter – sowohl zu sich selbst als auch zu anderen. Weder Klagen noch Geheule war von ihr zu hören, nur Schweigen. Und jenes wiederum war so abgründig, dass man gar nicht darin zu wühlen versucht war.
»Judith! Meine Königin!«
Nicht nur Johanna, auch Madalgis fuhr ob der schrillen Stimme zusammen. Joveta, die stets betont hatte, die Ranghöchste unter ihnen dreien zu sein – was in Hinblick auf ihre hohe Geburt stimmen mochte, nicht aber, was das schmähliche Ende ihres Vaters und somit ihr Schicksal anbelangte –, hatte nicht nur als Erste die Kutsche verlassen, sondern auch Judith erblickt, die abwartend in den Hof getreten war.
Missmutig beobachtete Johanna, wie Joveta auf die Königin zustürzte, als hätte es weder Eifersucht noch Hader zwischen ihnen gegeben und schon gar nicht jenen Abend, da Joveta Johannas Ränke mitgeschmiedet hatte. In Madalgis’ Blick stand – wenngleich sie wortlos blieb – das gleiche Urteil geschrieben: Joveta war schwach und flatterhaft. Etwas, was sie von ihnen beiden unterschied. Und mochte es auch Joveta gewesen sein, die einen Brief von einer Verwandten erhalten und dadurch erfahren hatte, wo Balduin und Judith sich aufhielten, so schmähten sie sie doch beide für diesen kindlichen, aufdringlichen Eifer, sich die eben noch angefeindete Königin wieder geneigt zu stimmen.
»Es tut … es tut mir so leid, meine Königin«, stammelte Joveta und war sich nicht zu schade, vor Judith auf die Knie zu sinken.
Ha!, dachte Johanna bitter. Ständig ist ihr alles zu schmutzig, und jetzt hockt sie sich in den Dreck des Bodens!
Sie verdrehte die Augen und gewahrte, dass Judith es ihr gleichtat. Anders als Johanna hatte sich die Königin freilich sogleichwieder unter Kontrolle, reichte dem Mädchen die Hand und zog es hoch.
»Ohne dich … ohne dich ist es so unerträglich gewesen«, klagte Joveta. »überall! Zuerst in Senlis, dann in Laon …«
»Ihr wart in Laon?«
»Wir wussten doch nicht, wohin wir euch folgen sollten, und Graf Robert hat uns schließlich aufgenommen. Der Bischof von Laon erzählte uns alles, was geschehen war, auch von der … auch von Eurer … Ho-Ho-Hochzeit mit Graf Balduin. Aber wir … aber ich konnte dort nicht bleiben. Jeden Tag hatte ich Angst, dass die Männer des Königs mich nach deinem Aufenthalt befragen würden … Wer w-w-weiß, mit welchen Mitteln.«
Sie wird noch zu stottern beginnen wie Judiths Bruder Ludwig!, dachte Johanna gereizt.
Madalgis hatte sich indessen auch der Königin genähert, gleichwohl sie nicht danach trachtete, ebenfalls vor ihr zu knien. Judith nickte ihr zu, schien dann Johannas Blick zu suchen. Doch jene drehte ihr einfach den Rücken zu.
Soll sie nicht denken, ich sei ihretwegen gekommen!, dachte sie bitter.
Sie hatte die letzten Monate in Laon nur schwer ertragen, hatte gehadert, als sie von der Exkommunikation des geliebten Ziehsohns erfuhr, und war erleichtert gewesen, als sie hörte, dass er zumindest wohlbehalten am Hof Lothars II. angekommen war. Anfangs hatte sie sich mit ihren Kräutern abzulenken versucht wie stets, doch schließlich hatte sie sich eingestanden, dass ihre Seele keinen Frieden finden würde, wusste sie Balduin in den Fängen dieser Frau. Wochenlang war sie Graf Robert in den Ohren gelegen, dass sie zu ihm reisen wollte – wer sonst könnte ihn zur Vernunft bringen, wer sonst auf sein Wohl achten, wenn nicht sie, die es von seinen Kindestagen an getan hatte? Endlich – entweder ihrer Bitten überdrüssig oder ob eigener Sorge um Balduin – hatte er ihr nachgegeben. Nun freilich, da sie angekommen war, wollte sie nicht zeigen, wie sehr sie diesen Augenblick herbeigesehnt hatte, vor allem nicht vor dem verhassten Weib.Der Groll gegen Judith war in Laon gewachsen und wurde
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