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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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ihrem Gemach zugebracht, dann das Abendessen mit Lothar und Hugo eingenommen. Sie fragte sich, weshalb Balduin sich nicht blicken ließ, nahm aber an, dass er Jovetas Geschwätz scheute, das auch in der Gegenwart des Königs nicht nachließ.
    Lothar schien freilich zu zerstreut, um einen klaren Gedanken zu fassen. Wie immer, wenn sie mit ihm gemeinsam aß, erwartete sie Neuigkeiten vom westfränkischen Hof, und zumeist berichtete Lothar ihr freimütig alles, was er wusste. Doch heute versandete das Gespräch in Phrasen über die Jagd und den baldigen Winter.
    Sie war erleichtert, fliehen zu können, schüttelte irgendwie auch Joveta ab und ging in ihr Gemach, um Balduin von der unerfreulichen Zusammenkunft zu erzählen. Doch sie fand ihn dort nicht vor.
    Nun, vielleicht war er bei den Stallungen oder draußen. Kurz vor den langen Monaten in verschlossenen, raucherfüllten Räumen war es gewiss wohltuend, etwas frische Luft zu erhaschen. Sie nahm ihren Umhang und trat nach unten in den Hof, wo es nun, in den gemächlichen Abendstunden, viel ruhiger und friedlicherzuging als während des arbeitsreichen Tages. Doch wohin sie auch blickte, nirgendwo war Balduin zu erspähen: weder in den Ställen, wo sie ihn zuerst suchte, noch in den Wirtschaftsgebäuden oder in der großen Halle, in die sie schließlich zurückkehrte.
    »Madalgis!«, rief sie die junge Frau, als sie diese erblickte.
    Madalgis fuhr herum, ihr Blick wirkte verwirrt und leer, als wäre sie in Träumen gefangen und wüsste gar nicht recht, wo sie sich befand und wohin sie wollte. Das war ungewöhnlich; ansonsten war sie doch immer so beherrscht. »Madalgis, weißt du, wo Balduin ist?«
    Sie musste die Frage mehrmals wiederholen, bis das Mädchen aus seinen Gedanken erwachte. »Das letzte Mal, als ich ihn sah, hat er mit Johanna geredet. Das war noch vor Mittag.«
    Seit ihrer Ankunft war es das erste Mal, dass Judith Madalgis eindringlich ins Gesicht sah. Die merkwürdige Starre, die darüber lag, bereitete ihr Sorgen. Doch auch ihre Worte beunruhigten sie, sodass sie nicht lange überlegte, was in der jungen Frau vorging.
    Sie drehte sich um und lief wieder hinaus in den Hof. »Johanna!«, rief sie zum ersten Mal laut den Namen der Frau, deren hartnäckiges Schweigen sie bislang hingenommen hatte.
    Madalgis folgte ihr nach draußen, und mit ihrer Hilfe fand Judith Balduins einstige Amme dort, wo jene sich am ehesten Frieden erhoffte, im kleinen Garten der Pfalz, der allerdings – wie so vieles hier – einen äußerst vernachlässigten Eindruck machte. Anstatt in der Erde zu wühlen, wie sie es in ihrem eigenen kleinen Reich stets tat, stand Johanna steif davor und blickte griesgrämig auf die erbärmlichen Pflänzchen hinab, die vom Unkraut fast erstickt wurden.
    »Wo ist Balduin?«, herrschte Judith sie an.
    Johanna hob den Kopf nicht.
    »Wir können ihn nicht finden«, fügte Madalgis sanft hinzu.
    Jetzt endlich blickte Johanna auf. »Was heißt … nicht finden?«, sagte sie zu Madalgis. »Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe,kam Lothars Leibdiener und meinte, der König wolle ihn augenblicklich sprechen. Es gebe Neuigkeiten.«
    »Aber beim König war ich doch eben, und er hat nichts von Neuigkeiten gesagt!«, entfuhr es Judith ungeduldig.
    Johannas Blick, eben noch starr und verhärtet, wurde dunkel vor Furcht. »Aber das ist nicht möglich!«, setzte sie an, und es waren die ersten Worte, die sie in Judiths Richtung sprach.
    Doch da hatte jene schon eine dunkle Ahnung befallen, und sie machte auf der Stelle kehrt.
    Nein, versuchte sich Judith noch zu trösten, nein, das konnte nicht sein, das würde er nicht tun … niemals … unmöglich war das … Das Herz pochte schmerzhaft und ohne rechten Takt in ihrer Brust, ihre Hände waren zu Fäusten geballt.
    Als sie endlich vor Lothar stand, seinen Blick suchte, dieser ihr aber auswich, wusste sie freilich, dass ihre Ahnung sie nicht getrogen hatte.
    »Was hast du mit Balduin gemacht?«, fragte sie ein ums andere Mal. »Was hast du nur getan?«
    »Ach Judith …«, seufzte der König hilflos.
    »Du hast ihn … du hast ihn meinem Vater ausgeliefert?«
    Er wich ihrem Blick noch immer aus und verkrampfte seine Hände über der Brust. Sie wollte ihre Frage ein zweites Mal stellen – doch dann gab er ihr wortlos eine Antwort: Er nickte schwach.

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XXIII. Kapitel
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    Lothar ging unruhig auf und ab. Judith hatte ihn selten still sitzen gesehen, doch nun war ihr, als würde er die Fersen förmlich in

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