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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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daraufhin kundtun, wohin ich reisen werde, und hoffe, sein schlechtes Gewissen ist groß genug, mir ein paar Männer als Geleit zu geben. Lothar wird niemals wissen, dass du nach einem gewissen Teil der Wegstrecke zu uns stoßen wirst.«
    Wieder nickte Balduin, starrte nachdenklich ins Feuer. Wie bei ihrer Flucht aus Senlis hatten sie auch an diesem Abend nichts als die Kleidung, die sie am eigenen Leib trugen.
    »Es tut mir leid«, murmelte er. »Ich wollte dir die Freiheit schenken – nicht das.«
    Er deutete auf den dunklen Waldboden, der am nächsten Morgen gewiss gefroren wäre, so eisig wie die Nacht sich über sie senkte.
    »Es muss dir nicht leid tun.«
    Zärtlichkeit überkam sie, viel stärker als je zuvor, gezeugt von der Erleichterung, dass sie wieder zusammengefunden hatten. Sie schmiegte sich noch fester an ihn, spürte, wie er ob ihrer Berührung unruhig atmete, schließlich erzitterte, als ihre Hand sich von seiner Schulter löste, langsam höher glitt, seinen Nacken erreichte, die Stelle hinter dem Ohrläppchen.
    Sie hörte ihn keuchen, und nicht zum ersten Mal überlegte sie, wie es sich für ihn anfühlte, wenn er sie berührte, wie seine Lustschmeckte, wie der Rausch, in dem sich sein Begehren entlud. Manchmal war es ihr, als könnte sie sich für die Dauer eines Wimpernschlags in seinen Leib hineinversetzen, könnte ein wenig von dem mitkosten, was niemals sie selbst erfasste. Doch es war im-mer zu kurz, um bis zur Tiefe dieser Empfindungen vorzudringen, blieb kaum mehr als ein Kitzeln, nicht kräftig genug, in ihr das gleiche Begehren zu entfachen. Ihre Hand glitt zu seinen Schläfen, hinter denen hektisch eine Ader pochte. Ihr eigener Herzschlag hingegen war immer ruhig geblieben, wenn sie bei ihm lag. Anfangs hatte sie Angst gehabt, übertüncht zwar von Selbstbeherrschung und dem festen Willen, sich ihm zu schenken – es dünkte sie stets als Teil des Geschäfts –, aber eben doch nackte, echte Angst: Angst vor Schmerzen, vor Beschämung, Angst, ihm danach nie wieder in die Augen blicken zu können. Ihren ersten Mann, Ethelbald, hatte sie nach der blutigen Hochzeitsnacht stets gemieden. Dass er ähnlich wie sie über die Mengen an Blut, das da zwischen ihren Schenkeln geflossen war, verstört gewesen war, hatte ihr stets das Gefühl gegeben, es sei ihre Schuld gewesen. Bei ihrem zweiten Mann, vor der Hochzeit noch der Stiefsohn, blutete sie nicht, und trotzdem wagte sie nicht, ihm in die Augen zu sehen – vielleicht, weil er so unbeholfen war. Das Urteil mancher Kirchenmänner, die klagten, es sei nichts Geringeres als die Sünde des Inzests, wenn ein Sohn seines Vaters Gattin zur Frau nehme, schien ihm während ihres Zusammenseins stets in den Ohren zu rauschen. Nun, es hatte seine Lust nicht gemindert, er war ihr gehetzt gefolgt, getrieben, als müsse er es möglichst schnell hinter sich bringen, um nicht dabei ertappt zu werden.
    Balduins Lust war weder schmerzhaft noch peinvoll, nur fremd und so weit weg. Bis heute zumindest – obgleich sie die Distanz auch jetzt nur kurz überbrückte.
    Solange sie ihm von sich aus nahekam und streichelte, konnte sie seine Haut riechen, den dünnen Schweißfilm, der trotz der Kälte aus den Poren brach. Sie fühlte sein Begehren sogar kurz auf sie überschwappen. Doch in dem Augenblick, da er herumfuhr,ihren Kopf zwischen die kräftigen Hände nahm, sie ähnlich streichelte wie eben noch sie ihn, da war ihr, als würde alles in ihr verlöschen. Sämtliche Sinne schienen gleichzeitig ihre Arbeit aufzugeben, so, als würde sich Schlaf über sie senken. Sie über-ließ sich ihm ohne Widerstand – und ohne Beteiligung.
    Für gewöhnlich reichte ihm das aus, heute aber nicht. Unwillkürlich ließ er sie los, stieß sie beinahe zurück, sprang hoch. Das Geäst knirschte unter seinen Schritten, das Feuer flackerte im Luftzug, den er verursachte.
    »Du musst … du musst mich nicht dafür bezahlen, dass ich deinen Plan mittrage, nach Rom zu ziehen und den Papst um seinen Segen für unsere Ehe anzuflehen.«
    Ihre Empfindungen kehrten zurück, nicht allmählich, sondern mit voller Wucht. Sie hörte es in ihrem Kopf rauschen, das Bild vor ihren Augen schien sich zu drehen.
    »Was redest du da? Ich bezahle dich nicht! Ich will dir doch nur danken!«
    Sie erhob sich, trat zu ihm, umschlang seinen Rücken. Wieder erloschen augenblicklich sämtliche Gefühle in ihr.
    Er schüttelte sie ab. »Es ist gut, wenn du mir dankst. Aber … aber ich will nicht, dass du

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