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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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manchmal so spitz, als richteten sich steinerne Lanzen gegen den Allmächtigen. In der Dämmerung verschwand das nasse Grau im Nebel, und dann war es nur das merkwürdig dumpfe Hallen der Worte, das von den scharfen Grenzen rund um ihren Weg zeugte. Wenn am nächsten Morgen jener Nebel aufriss und weiße Schneespuren auf dem Grau in der selten zu sehenden Sonne glitzerten, dann war auch etwas von einer wehen Schönheit zu spüren, von der Ahnung, dass jenes unheimliche, bedrohliche Meer aus Steinen nicht nur von Tod und Einsamkeit kündete, sondern vom Willen Gottes,dem Menschen einen Weg hinaus aus den Niederungen des Weltenlebens zu zeigen, ihn, wenngleich auf steilen und hart zu erklimmenden Wegen, näher an sich heranzuführen. Einzig die dünne Luft bewies, dass des Himmels Umarmung nicht geschmeidig ausfiel, sondern dem Leib die Schwerfälligkeit und Erdverbundenheit nicht ohne Häme vorhielt.
    Nach einiger Zeit erinnerte Balduin das eigene Schnaufen an einen uralten Menschen, der sein Leben hinter sich weiß; er fühlte keine Angst mehr vor möglichen Hindernissen, die ihm der unberechenbare Weg auferlegen könnte, nur mehr die vor der eigenen Erschöpfung. Gab es einen anderen Schauplatz außer dem Krieg, der dem Menschen die eigene Kleinheit und Endlichkeit so deutlich vor Augen halten konnte wie die Bergwelt?
    Nun, wenn es nicht schlimmer wurde, dann mochte er gern damit leben, doch diese Hoffnung währte nur bis zum vierten Tag. Schon am Abend, als sie Zelte aufspannten – diesmal hatten sie keines der Hospize erreicht –, schien der Wind schärfer und lauter zu werden. Manch Haarsträhne zerrte er unter dem Schleier der Frauen hervor und klatschte sie ihnen ins Gesicht wie Peitschenschläge.
    Wunibald hatte keine Haare, die ihn schmerzhaft treffen konnten – aber trotzdem klagte er wie stets am lautesten. Mit nahezu beleidigtem Gesichtsaudruck rieb er sich die Hände und hauchte warmen Atem darauf.
    »Zu welchem Nutzen hat Gott diese Jahreszeit erschaffen?«, schimpfte er vor sich hin. »Ganz zu schweigen davon, wer ihm die Idee für Berge eingab! Warum hat er die Welt nicht flach gemacht? Jeder weiß doch: Von den Bergen kommen nur Gewitter, Steinschläge und böse Tiere.«
    »Die meisten deiner Zunft würden zu bedenken geben, dass die Welt ein Jammertal ist und wir uns nicht mit ihr anfreunden sollten«, warf Judith ein und ließ es ungewiss, ob sie ernsthaft auf seine Worte einging oder sich über ihn lustig machte.
    »Nun, das ist ihm gut gelungen!«, schimpfte Wunibald. »Ichbete zum heiligen Christophorus, dem Patron der Reisenden, dass er uns beistehen möge. Wehe er wagt, es zu unterlassen!«
    »Du drohst einem Heiligen?«, fragte Judith verwundert.
    »Ja, weißt du denn nicht, Königin, dass man einen Heiligen dafür bestrafen kann, falls er die erwartete Wunderkraft nicht unter Beweis stellt? Man kann ihm die liturgische Verehrung verwehren – und sein Grab mit Dornen bedecken.«
    »Und weißt du auch, wo sich das Grab des heiligen Christophorus befindet?«, fragte Judith.
    Wunibald schüttelte den Kopf – und ausgerechnet Johanna tat es ihm gleich, jedoch als Zeichen der Missbilligung. Für gewöhnlich sprach sie nicht, wenn sie Judith in der Nähe wusste, was hieß, dass sie in diesen Tagen so gut wie keine Worte machte. Doch nun konnte sie sich nicht verkneifen, den Mönch zu rügen: »Solltet Ihr nicht lieber den Tag dem Stundengebet unterwerfen? Es wäre besser, Gottes Gnade auf diese Reisegruppe herabzurufen, als ihn herauszufordern.«
    Wunibald verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. »Als ob Ihr etwas dagegen hättet, wenn wir Rom nie erreichten«, murmelte er leise.
    »Was sagtet Ihr?«, fuhr Johanna ihn an.
    »Ich sagte, dass eine Frau in Eurem Alter und mit Eurer Weisheit gewiss nur gute Ratschläge erteilt.«
    Judith konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, aber ihre Lippen glätteten sich rasch wieder, als sie sich erstmals an Johanna wandte.
    »Ich habe einen Pelzmantel … Ihr könnt ihn gerne haben … Johanna.«
    Lange schien es, als würde sie wie üblich nicht antworten, doch dann gab Johanna ihre Ignoranz zumindest so weit auf, um ein undeutliches »Ich friere nicht!« zu knurren.
    Balduin sah, wie Judith vermeintlich gleichgültig die Schultern zuckte, dann blickte er Johanna nach. Aufrecht stapfte sie davon. Noch lag kein tiefer Schnee um das Lager, aber eine dünne weiße, rutschige Schicht. Unwillkürlich fröstelte er – und es lag nicht anden harten Worten seiner

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