Das Geständnis der Amme
dein unwürdiger Mann zu werden.Aber ich weiß es: Sonst war ja niemand da, der dir hätte helfen können. Du hast mich benutzt, du hast gedacht, mit einem Tölpel wie mir kannst du tun, was du willst. Und jetzt brauchst du mich nicht länger und kannst mir darum zeigen, was du wirklich von mir denkst.«
»Ich habe dich nicht erwählt, weil ich dich für einen Tölpel hielt«, gab sie zurück, und in ihrer Stimme klang ein Ausmaß an Kränkung durch, das mit dem seinen mithielt. »Ich habe dich gewählt«, fuhr sie fort, »weil ich mir dachte, du würdest mich erkennen, du als einziger. Ich dachte, du sähest so viel mehr in mir als nur die schöne, traurige Frau. Doch von wegen! Auf meine Klugheit könntest du gern verzichten, vorausgesetzt, ich falte meine Hände, und deine Ehre ist wiederhergestellt! So ist es doch, nicht wahr?«
»Ich habe in meinem Leben zu oft getan, wozu man mich drängte. Ich will dein Mann sein, nicht dein Sklave!«
Sie rang die Hände, wütend und irgendwie – hilflos. »Ich verstehe es einfach nicht, Balduin. Du hast dich zu einem grausamen Mord hinreißen lassen für einen Vater, der dich nie wollte und liebte. Du hast dich von meinem ehrgeizigen und zugleich unfähigen Bruder jahrelang gängeln lassen. Für beide hast du dich verleugnet, hast Dinge getan, für die du dich schämst und die dich in deinen Träumen verfolgen. Und wenn es um nichts anderes geht als anzuerkennen, dass ich dir in manchem überlegen bin, aufgrund meiner Geburt, meiner Erfahrung, meiner Erziehung – dann, ausgerechnet dann stellst du dich bockig wie ein kleines, trotziges Kind! Wessen klagst du mich eigentlich an, Balduin? Dass ich dich aus dem Kerker gerettet habe? Dass ich darum kämpfte, deinen Fehler gutzumachen, und beim Papst für unsere Ehe eingetreten bin? Dass ich mich für dich vor dem päpstlichen Hofstaat erniedrigt habe? Dass ich laut gerufen habe, dass ich dich liebe und dass ich dich frei erwählt habe? Immerhin habe ich dich nie dazu getrieben, Unschuldige hinzumetzeln.«
»Und ich habe dir nicht meine Seele anvertraut, damit du diesesWissen gegen mich ausspielst!«, schrie er zurück und ballte seine Hände wieder zu Fäusten.
»Warum denkt ihr Männer stets, dass euer Recht auf Stolz und Ehre so viel größer sei als unseres?«
»Wenn du die Männer derart hasst, dann glaube ich nicht, dass du sonderlich viel Wert auf meine Gesellschaft legst«, knurrte er.
Seine Fäuste lockerten sich, seine Lust, auf sie loszugehen, sie zu schütteln, vielleicht sogar zu schlagen, schwand – nicht, weil er zur Besinnung kam, sondern weil er dachte, in ihrer Gegenwart keinen Augenblick mehr frei atmen zu können. Er wusste nicht, wohin in dieser Schlangengrube, und stürmte doch an ihr vorbei. Kurz hoffte er, sie möge ihm ein besänftigendes Wort nachrufen, doch sie hielt ihn nicht auf.
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XXXIII. Kapitel
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Johanna war blind für den Prunk des Lateranpalastes. Seit Balduin einen Boten mit der Nachricht in das Hospiz geschickt hatte, dass sie allesamt die Gäste des Papstes wären, war ihre Erleichterung, dass es Balduin gut ging, größer als ihre Neugierde. Dort angekommen, prüfte sie nicht, ob jener Ort so erlesen war, wie Bruder Wunibald sie stets hatte glauben gemacht, umso mehr da der Mönch, als er nun auf sie zuschritt, nicht auf die prächtigen Säulen und Kapitelle verwies, sondern mit sorgenvoller Miene von dem Zerwürfnis zwischen Balduin und Judith berichtete, das längst die Runde gemacht hatte.
Irgendjemand hatte die beiden belauscht oder gab zumindest vor, das getan zu haben. Nicht alles davon mochte wahr sein, jedoch war offensichtlich, dass die beiden sich schlimmste Kränkungen an den Kopf geworfen hatten.
Anders als seinerzeit in Pavia gelang es Johanna nicht, sich im Schweigen zu üben und all ihren Triumph, ihre Schadenfreude unausgesprochen zu lassen.
Kaum dass Wunibald sie zu Balduin gebracht hatte – er stand noch mit dem Rücken zu ihr gewandt –, brach es bereits aus ihr heraus. »Ich habe gehört, was geschehen ist. Das hätte sie nicht tun dürfen. Das nicht.«
Balduin drehte sich nicht zu ihr um.
Ein einziges Wort trat über seine Lippen, ebenso heiser wie verbittert. »Verschwinde!«
Johanna war sich nicht sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatte, wollte es auch gar nicht ergründen.
»Du … du darfst es ihr nicht durchgehen lassen«, forderte sie. »Du bist ihr Mann … Und als Mann musst du sie dir …«
»Hau ab!« Diesmal waren seine Worte
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