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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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Normannen scharenweise niederzumetzeln?
    Wäre ich ihr nur nie begegnet.
    Er ahnte, dass seine Verzweiflung noch tiefer und dunkler wuchern würde, gäbe er jenem Grübeln nach. Doch diese Gedanken bedrängten ihn, gleich den Ratten: Sie ließen sich zwar kurz verjagen, kehrten aber beharrlich immer wieder zurück.
    Balduin zuckte zusammen. Ein Geräusch war ertönt, das er ebenso fürchtete wie herbeisehnte, seit er hier eingesperrt war – schlurfende Schritte auf dem erdigen, schmutzigen Boden. Oft brachten sie Wohltat, oft aber nur neue Schläge. Zumindest an den ersten beiden Tagen hatten sich seine Wächter einen Spaß daraus gemacht, ihn zu schinden, ihm die Nase blutig zu schlagen und in den Bauch zu treten, bis er sich erbrach. Dann war ihnen gottlob langweilig geworden. Aber vielleicht waren sie nun auf eine neuerliche Abwechslung dieser Art aus?
    Balduins Hand pochte schmerzhaft, als er unwillkürlich an den Fesseln zog – zu dem Preis, dass sie nur tiefer in seine wunde Haut drangen.
    Doch was immer diese beiden Männer vorhatten, deren dünne Schatten nun in seine Zelle fielen, vorerst betraten sie sie nicht.
    »Sie hat es also geschafft.«
    »Ich weiß nicht, wie sie’s angestellt hat.«
    »Oh, sie scheint ein ausgefuchstes Frauenzimmer zu sein. Was immer sie ihm sagte, hat ihn wohl gnädig gestimmt.«
    »Ich würde mich schämen, ein Hohlkopf zu sein, für den mein Weib reden muss.«
    »Pah! Was ist von einem Mann wie ihm schon zu erwarten? Ehre? Dass ich nicht lache!«
    »Und deswegen müssen wir ihn freilassen?«
    »Das ist der Wille des Papstes höchstselbst. Tja, ich würde lieber hier verfaulen, als in der Schuld einer Frau mit derart spitzer Zunge zu stehen. Sie hat das Wort an den Heiligen Vater gerichtet, bevor er’s ihr erlaubte – nicht auszudenken, wenn mein Weib sich so aufführen würde!«
    Judiths Gesicht stieg jäh vor Balduin auf. Wie herrisch und zugleich beherrscht sie wohl vor dem Papst aufgetreten war?
    Nun endlich trat einer der Männer in die Zelle und versetzte ihm einen schmerzhaften Tritt. »Raus mit dir! Dein Weib hat laut durch den Lateranpalast gerufen, dass sie dich liebt!« Er lachte spöttisch; übler Geruch strömte aus seinem Maul.
    Kurz fühlte Balduin nur Erleichterung, als seine Fesseln durchschnitten wurden und sämtliches Blut wieder ungehindert durch die Adern rauschte. Doch dann ging ihm das spöttische Lachen durch Mark und Bein. Wie das vorhergehende Zwiegespräch diente es wohl keinem anderen Zweck, als ihn bloßzustellen,
    … dass sie dich liebt, echote es dumpf in seinem Kopf.
    Niemals hatte Judith ihre Liebe zu ihm bekannt. Zumindest nicht mit Worten, höchstens mit Gesten, und auch jene waren immer ein wenig verhalten ausgefallen. Und nun, da sie es tat, hatte er den Eindruck, von diesem Bekenntnis zutiefst gedemütigt zu werden.
    »Bitte …«, sagte er heiser und schämte sich für seine flehende Stimme, »habt Ihr einen Eimer Wasser für mich, damit ich mich waschen kann?«
    Wieder ertönte ein Lachen, wenngleich ein gutmütigeres. DiePranke des Wärters krachte auf seine Schultern, und Balduin fühlte sich so geschwächt, dass er darob beinahe zu Boden ging.
    »Schämst du dich etwa, stinkend vor dein liebes Weib zu treten?«, höhnte er.
    Ohne Zweifel war dies der Fall, aber Balduin presste die Lippen aufeinander und wollte es, da der andere kein Bestreben zeigte, seinen Wunsch zu erfüllen, nicht auch noch eingestehen.
    Judith hatte ihm den Rücken zugewandt und machte keine Anstalten, sich zu ihm umzudrehen. Dennoch hielt er den Blick starr auf ihre Gestalt gerichtet – zum einen, um sich von den vielen gaffenden Menschen abzulenken, die ein Spalier gebildet hatten und ihn mal spöttisch, mal verächtlich, mal angewidert musterten, zum anderen, weil ihr Anblick viel größeres Labsal bot, als er erwartet hatte.
    Eben noch hatte er sich befleckt gefühlt, mit seinen zerrissenen, klammen Gewändern, seinem verdreckten, an manchen Stellen blutverkrusteten Gesicht, seinem klebrigen Haar. Doch nun, da er sie sah, ihre schmalen Schultern, die stolz gestrafft waren, war ihm, als reichte ein Blick von ihr, ein freundliches Lächeln, und die jämmerliche Erfahrung der letzten Tage wäre wie fortgewischt.
    Das Lächeln blieb aus, als sie sich nun endlich zu ihm wandte, und dennoch war ihr Anblick verheißungsvoll genug, dass die Angst und die Ungewissheit von ihm abfielen und die Sehnsucht in ihm erwachte, sie zu berühren. Er durfte es nicht, er war

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