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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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»eine Königin aus dem Geschlecht der Merowinger. Chlodwig II. angetraut und nach dessen Tod Regentin für ihre Söhne.«
    Judith lachte auf, und es klang befreiter als sämtliche Worte, die sie bisher gemacht hatte. »Glaubt mir, mit all den Eigenschaften, die Ihr ihr zusprecht, wär’s ihr wohl nicht gelungen, eine derart tatkräftige, eigenwillige Regentin zu sein und so häufig jenem Major Domus entgegenzuhandeln, der an ihrer Seite stand –Ebroin, den mancher Bischof als den Antichristen erlebte.«
    »So haltet Ihr sie nicht für würdig, dass sie als Heilige verehrt wird?«, fragte er mit lauerndem Blick.
    »Im Gegenteil: Ihr allein habt darüber zu bestimmen, nicht ich. Und Ihr allein habt über meine Ehe zu richten, nicht ich. Ich sage nur noch einmal, dass ich Balduin von Herzen …«
    Er winkte wieder ab. »Es genügt, Judith, es genügt.«
    »Genügt es, Euch barmherzig zu stimmen?«
    »Ich werde Euch meine Entscheidung kundtun. Und bis dahin … Nun, es ist üblich, dass die Könige mitsamt ihrem Gefolge in den Nebengebäuden der Sankt-Peter-Basilika untergebracht werden. Doch Ihr«, er konnte sich einer letzten Spitze nicht enthalten, »doch Ihr seid sicher ohne großen Hofstaat gekommen. So seid denn bis dahin Unsere Gäste hier im Lateran.«
    »Und Balduin«, setzte sie an, »Ihr wisst bestimmt, dass Balduin … verschwunden ist. Darf man so mit dem Gatten einer Königin, einer Königstochter, umgehen?«
    Der Papst streichelte über das Buch, das er eben hochgehalten hatte.
    »Falls er denn Euer Gatte ist.« Er sah, dass sie zur Widerrede ansetzen wollte, und fuhr rasch fort: »Doch seid beruhigt. Wir werden tun, was in Unserer Macht steht, auf dass auch er sich im Lateran als Gast fühlen kann.«
    Mit diesen Worten war sie entlassen.
    Balduin versuchte, seine Hand zu bewegen, hatte aber das Gefühl, dass kaum noch Blut durch sie flösse. Von Stunde zu Stunde wurde sie tauber.
    Zuvor hatte er noch gemeint, der Kerkermeister täte ihm einen Gefallen, als er ihn kurz von den Hanfstricken losband und ihm die Möglichkeit gab, sich weit genug entfernt von jener Stätte, wo er nun schon seit Tagen hockte, zu erleichtern. Ebenso dankbar war er über das Wasser gewesen, das er ihm zu trinken gab, auch wenn es nach Fäulnis stank, und für den steinharten Brotlaib. Doch kaum hatte der Mann ihn wieder gefesselt, hatte er die Stricke mit Absicht so fest gezogen, dass Balduin ein Schmerzenslaut entfuhr. Es war das erste Mal, dass er sich seine Schwäche eingestand und sie auch zeigte, dass er nicht stoisch über sich ergehen ließ, was ihm widerfuhr, sondern dass er daran verzweifelte – an den wundgescheuerten Handgelenken ebenso wie an dem Loch, in dem er hockte. Tagsüber war es so schwül, dass sein ganzer Leib im Schweiß stand, nachts wurde es eiskalt, sodass er durch das andauernde Zittern wach gehalten wurde. Am schlimmsten von allem waren die Ratten, die auf der Suche nach etwas Essbarem in Scharen kamen. Er trat nach ihnen und konnte sie solcherart in Schach halten, war sich jedoch sicher, dass sie an ihm zu nagen begännen, sobald er die Augen schloss. Allerdings konnte er nicht ewig wach bleiben. Irgendwann würde die Müdigkeit ihn übermannen, ihn nicht nur dann und wann einnicken lassen wie bisher, sondern in tiefen Schlaf versinken lassen. Mochte Gott allein wissen, ob er heil an Leib und Seele wieder erwachen würde, ob dann nicht sämtliche Glieder abgestorben oder von den Ratten angebissen waren.
    In Gegenwart des Wärters beließ er es bei dem Schmerzenslaut.Doch kaum war jener gegangen, schrie er mit aller Kraft gegen die Wände an: »Verflucht! Verflucht! Verflucht!«
    Er wusste nicht recht, was ihn mehr erzürnte – das Unrecht, das ihm widerfahren war, als man ihn heimtückisch angegriffen und hierher verschleppt hatte, oder dass er selbst daran nicht unschuldig war, weil er eigenmächtig in den Lateran gegangen war.
    Ich habe es für Judith getan, hatte er sich noch gesagt, ehe er zu ahnen begann, dass sie ihm seine vermeintliche Heldenhaftigkeit als Dummheit auslegen würde. Nun gut, dachte er, ich hab’s für mich getan – auf dass sie mich achtet.
    In diesem Zustand freilich, stinkend und verdreckt, hungernd und frierend, würde er kaum Achtung von ihr erfahren. Aber hatte er das alles nicht nur ihretwegen auszustehen? War es, nach König Lothars Verrat, nicht schon das zweite Mal, dass er von einer Horde Männer überwältigt wurde – er, der Krieger, der gewohnt war,

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