Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
Vom Netzwerk:
unangenehm, weil verbittert und so uneins wie die Gefühle, die ihre Miene beherrschten. Da war Triumph dabei, als fühlte sie sich als Siegerin – und so viel Trauer, weil sie ja doch vor langer Zeit verloren hatte.
    »Was willst du, Madalgis?«, fuhr er sie rüde an.
    Sie reagierte nicht auf seine ungehaltenen Worte, ließ plötzlich ihre Hand über seine Schultern gleiten und stieß ein helles Lachen aus, bezeugend, dass ihr seine Ablehnung nichts ausmachte, sondern sie eher bestärkte. Mit Sanftheit hätte er ihr wohl mehr zugesetzt und den Plan geschädigt, dem ihr Handeln folgte.
    »Ich will dir sagen, Herr, dass ich … dass ich für dich da bin. Ich war es immer, nur hast du mich nicht gesehen. Du hast nur … sie gesehen. Und ich verstehe das. Denn sie ist eine schöne Frau, so vornehm, so beherrscht. Auch ich bin in ihren Anblick versunken, als ich ihr das erste Mal gegenüberstand. Ich habe ihr so viel zu verdanken … Alles habe ich ihr zu verdanken. Ich hätte nicht weiterleben können … ohne sie.«
    Während sie redete, streichelte ihre Hand weiter über seine Schulter, über seinen Rücken, berührte schließlich die nackte Haut seines Nackens. Balduin zuckte zusammen und stieß ihre Hand zurück.
    »Wenn du ihr so ergeben bist, warum bist du dann hier und reizt mich so? Glaubst du, das würde ihr gefallen?«
    »Und glaubst du, sie hätte etwas dagegen?«, gab Madalgis zurück.
    Sie versuchte nicht wieder, nach ihm zu fassen, trat vielmehr zurück in die Mitte des Zimmers, wo auf einem kleinen Tischchen mit einer Platte aus Elfenbein und Füßen aus Bronze ein Zinnkrug mit Wein stand. Er hatte nicht gesehen, ob sie ihn selbst mitgebracht oder ob er bereits hier gestanden hatte. Randvoll schenkte sie einen Kelch voll. Als sie ihn zu ihm trug, schwappte der Wein über, und einige der roten Tropfen rannen ihr über ihre Finger. Sie sahen schmal aus, viel feiner als einst. Er konnte sich an ihre Hände erinnern – erst jetzt ging ihm auf, wie gut –, an die etwas harte, schwielige Haut und wie ihre Finger ihn entkleidet hatten, wie sie fordernd über seine Brust und seinen Bauch gewandert waren. Nicht ihre Augen, nicht ihre Stimme, sondern ihre Hände hatten ihn aus dem Tal der Toten hervorgeholt, hatten die Reste seines Lebenswillens aufgestöbert und ihn aus dem Elend gestreichelt.
    Und Wein. Die Erinnerung an Madalgis schmeckte nach Wein, säuerlich und kräftig. Wie sie selbst schmeckte, wie sie roch, wusste er hingegen nicht mehr.
    Sie überreichte ihm den Kelch nicht, sondern hob ihn selbst, um ihn an seine Lippen zu setzen. Er beugte sich nicht zu ihr, um es ihr zu erleichtern, aber er wehrte sich auch nicht dagegen, als sie ihm den Trank einflößte, schluckte brav, wenngleich einige Tropfen über sein Kinn perlten wie zuvor über ihre Hand.
    »Warum … warum tust du das?«, fragte er.
    »Du brauchst es doch«, murmelte sie und zog den Kelch zurück, genau in jenem Moment, da seine Lust auf Wein geweckt war, er noch mehr trinken wollte, gieriger, in größeren Schlucken. »Du brauchst es doch, dass eine Frau sich um dich kümmert, dich umsorgt, dir schmeichelt. Judith kann dir das nicht geben. Es ist nicht ihre Art. Doch warum solltest du darauf verzichten?«
    Wieder lachte sie, nicht leichtfertig wie zuvor, sondern höhnisch und zugleich verzweifelt.
    »Du hast mich gemieden, Madalgis!«, rief Balduin. »Dir war es doch unangenehm, in meiner Nähe zu sein. Warum suchst du sie jetzt? Ich habe oft gedacht, du würdest mich … hassen.«
    Ihre Augen wurden schmal, und das, was darin stand, ließ ihn frösteln, zurückweichen, kündete von einem Gefühl, das noch viel bodenloser war, noch viel giftiger als alles, was er sich vorstellen konnte.
    Noch weiter wich Balduin zurück, doch diesmal überbrückte sie den Abstand, presste ihm wieder den Kelch an die Lippen und flößte ihm noch mehr von dem Wein ein.
    »Sie hat dich verletzt«, stellte sie fest. »Sie hat dich gedemütigt. Ich weiß, wie sich das anfühlt, ich weiß es genau. Du hast mir nicht minder bitteren Schmerz zugefügt – und eben deswegen verstehe ich dich so gut.«
    »Madalgis …«, er verschluckte sich beinahe an dem Wein. Der Wein ging zur Neige, heiß strömte es durch seinen Körper. Sein Kopf schmerzte von den vielen Gedanken, die darin kreisten, von seinem Hader gegen Judith und auch von dem Unbehagen, das Madalgis’ Gegenwart ihm aufzwang. Doch dann, nach weiteren Schlucken, war sein Kopf plötzlich leer, unheimlich

Weitere Kostenlose Bücher