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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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unmissverständlich. Nun drehte er sich endlich zu ihr um und ließ sie die Kränkung sehen, die offen in seiner Miene stand. »Hau ab! Ich habe euch Weiber so satt!«
    Johanna zuckte zusammen, ihr Triumphgefühl schwand. Keine Worte, die er je zu ihr gesprochen hatte, auch nicht im schlimmsten Streit, waren so verächtlich gewesen. Mochte die Wut auch frisch klingen, irgendetwas daran schmeckte vergärt, verhieß kein aufrechtes, klares Gefühl, sondern ein schleichendes, ähnlich wie Ungeziefer heimlich durch sämtliche Lücken krabbelt: Missmut war es, der mickrige Bruder vom verletzten Stolz, viel weniger kampfbereit als dieser, lag seine Macht doch nicht im Aufbegehren, sondern im langsamen Vergiften der Seele.
    »Wie kannst du so etwas nur sagen?«, entfuhr es Johanna.
    »Du hast doch bekommen, was du wolltest«, entgegnete er mürrisch. »Du hast stets gesagt, Judith wäre nicht das rechte Weib für mich … und so ist es wohl. Muss ich jetzt auch noch freundlich zu dir sein?«
    Wieder zuckte sie zurück. Obgleich nichts in seiner Haltung von der damaligen Schwäche zeugte, fühlte sie sich an jene Zeit erinnert, da er von seiner ersten Schlacht zurückgekehrt war und Audacers Tod betrauert hatte. Damals schien sein lebendiges, frohes Wesen zusammengeschrumpft zu sein wie ein alter Weinschlauch, aus dem auch noch der letzte Tropfen geronnen war, und was Graf Robert sorgenvoll für Trauer und Schmerz gehalten hatte, war für sie selbst ein gefährlicher Abgrund gewesen. Sie hatte nicht gewagt, sich neben ihn zu stellen und hineinzu’lugen – nicht nur, um sich selbst zu schützen, sondern ein wenig auch aus Verachtung, dass er nicht genug Standfestigkeit aufbrachte, um sich diesem Abgrund zu verschließen.
    Damals mochten die Erinnerungen an Krieg und Tod auf dessen Grund gelauert haben. Heute war es etwas, was ihr nicht minder erbärmlich deuchte: ein Unvermögen, mit Kränkung fertigzu werden, kindlich, so wie damals, als er meinte, es reiche, sich in ihre Arme zu verkriechen, und er sei prompt davon befreit, die Kriegskunst zu lernen.
    Zum eigenen Entsetzen fiel es ihr schwer, Verständnis aufzubringen, obwohl sie doch immer vermeint hatte, es müsse an jenem Tag, an dem Judith nicht länger zwischen ihnen stünde, überreich vorhanden sein.
    »Wenn du meiner wirklich überdrüssig bist«, murrte sie ärgerlich, »nun, dann gehe ich …«
    Noch blieb sie stehen, hoffte, er würde erkennen, dass er seine schlechte Laune zu Unrecht an ihr ausgelassen hatte. Doch er hatte sich längst wieder abgewandt. Eilig stürzte sie aus dem Raum und bemerkte kaum, dass dort draußen jemand stand. Fast stieß sie mit der Gestalt zusammen, die keinen Schritt beiseitegetreten war.
    »Was willst du hier?«, fragte Johanna unwirsch.
    »Nun«, ward ihr gedehnt geantwortet, »hab’s wohl vernommen. Er hat die Weiber satt. Denkst du«, und nun grinste die Frau, »denkst du, mich auch?«
     
    Madalgis ging nicht durch den Raum, sondern schlich, wie so oft, einer Katze gleich. Ihre Schultern hingen tief, der Rücken schien wie von einem Buckel verbogen, als wagte sie nicht, ihm aufrecht entgegenzutreten. Nur die gelben Augen waren fordernd. Sie wa’ren nicht sittsam gesenkt, sondern starrten ihn an, selbstbewusst, gierig und ein wenig traurig.
    Balduin betrachtete sie wie eine Fremde. Nie war sie ihm von sich aus zu nahe gekommen, und auf der Reise nach Rom war sie ihm lediglich wie ein stummer Schatten gefolgt, dessen Regungen zu flüchtig ausfielen, um Erinnerungen zu zeugen. Die Kleidung war unauffällig wie stets: Sie trug zwei leinene Untertuniken übereinander, die eine weiß, die andere grau, darunter baumwollene Strümpfe, die wohl bis zu ihren Knien reichten und dort mit Riemenzungen festgehalten wurden. Doch anders als sonst waren ihre Haare nicht von einem Schleier verborgen, sondern fielenoffen über ihre Schultern, einzig von einer Perlenschnur aus dem Gesicht gehalten.
    Balduin runzelte die Stirne, doch es hielt sie nicht davon ab, noch näher zu ihm zu treten, einem Plan folgend, den sie offenbar schon lange vor dieser Stunde ausgeheckt hatte.
    »Mein Herr«, setzte sie an, »mein Herr, du scheinst von deinen Sorgen nahezu erdrückt. Das war nicht immer so. Erinnerst du dich … erinnerst du dich an die Zeit, da ich dich davon befreien konnte? Du hast bei mir Ruhe, Entspannung und Frieden gefunden.«
    Ihr Anblick hatte ihn irgendwie erstarren lassen, ihre Stimme hingegen wühlte ihn auf. Etwas daran klang

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