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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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viel zu schmutzig, deshalb blieb er auch in ausreichendem Abstand stehen, doch wenn sie nur …
    Wenigstens kein verächtliches Wort, dachte er, da sie keinerlei Regung zeigte. Sie wirkte übermüdet, aber nicht so eiskalt und erstarrt, wie er sie so oft erlebt hatte. Während er noch diesem Umstand dankte, erkannte er freilich, was ihre vermeintliche Gefasstheit bedingte: nicht etwa Rücksicht auf ihn, sondern auf die vielen Gaffer. Vor jenen wollte sie sich offenbar keine Blöße erlauben, weswegen sie ihn wortlos mit sich winkte.
    Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Sie achtete nicht darauf, ob er ihr nachkam, als sie das prachtvolle
Triclinium
durchschritten und in einen Säulengang gelangten. Erst jetzt erahnte er, dass sein Gefängnis sich wohl unmittelbar unter dem Papstpalast befunden hatte. Zuletzt folgte er ihr in einen kleinen Raum, dessen genauen Zweck er nicht erkannte –wahrscheinlich war er nichts weiter als ein Verbindungsgang, denn bis auf eine kleine Statue beherbergte er keinerlei Mobiliar. Erneut winkte Judith, allerdings nicht nach ihm, sondern um fünf sogleich errötende Mönche zu vertreiben. Indes ihr forscher Blick sie sichtlich verlegen stimmte, stießen sich die jungen Kleriker bei seinem Anblick verschwörerisch an und kicherten obendrein. Gewiss hatte sich sein erbärmliches Geschick schon herumgesprochen – dass man ihn heimtückisch zusammengeschlagen und nur die Fürsprache eines Weibs ihn hatte retten können.
    Kleinlaut und schwach hatte sich Balduin eben gefühlt, doch nun ballte er unwillkürlich eine Hand zur Faust. Dreinschlagen, ging es ihm durch den Kopf, diesem intriganten, hämischen Getue einfach gewaltsam ein Ende machen …
    In seinem Groll bemerkte er kaum, wie die Mönche weghuschten und an ihrer Statt Judith ihn betrachtete – mit jenem abweisenden, kalten Blick, von dem er nicht wusste, wie er ihn ertragen sollte.
    »Gefällt es dir eigentlich, dass du mich zum Gespött des ganzen päpstlichen Hofstaats gemacht hast?«, brach es aus ihm hervor.
    Ihr Blick gefror noch mehr. »Erklär mir, wie mir das gelungen sein sollte, wo du es doch ganz alleine fertiggebracht hast, in diese erbärmliche Lage zu geraten.«
    Er folgte ihren Augen, blickte auf sich herab. Er war so oft in seinem Leben mit Schlamm und Blut verdreckt gewesen, doch nie hatte er sich derart schäbig gefühlt. »Was hast du aus mir gemacht, Judith?«, fragte er tonlos.
    »Ich aus dir?«, zischte sie. »Wie konntest du es wagen, hinter meinem Rücken den Papst aufzusuchen? Wie konntest du nureinen Augenblick lang ernsthaft annehmen, dass dies genüge, um ihn für uns einzunehmen? Das war dreist gegen ihn – und ein Verrat gegen mich.«
    »Erwartest du das von unserem künftigen Leben? Dass ich ohne deine Zustimmung nicht mehr handeln darf?«
    »Sofern du zu handeln trachtest, ohne dabei zu denken – dann ja! Oh Balduin, dein verfluchter Stolz …«
    »Wirf mir bloß keinen Stolz vor! Wer gibt mir denn seit Wochen das Gefühl, ich sei nichts weiter als ein tumber Krieger?«
    »Balduin, du bist als Krieger erzogen worden«, gab sie zurück. »Was verstehst du schon von Politik und Diplomatie?«
    »Du misstraust mir also. Du denkst, dass ich nichts anderes kann außer zu töten!«, rief er.
    Erneut wanderten ihre Augen über seine Gestalt, diesmal langsam, unerträglich langsam.
    »Die letzten Tage haben doch bewiesen, dass es für mein Misstrauen einen guten Grund gibt«, sagte sie kalt.
    Nie hatte er sich ernsthaft vorstellen können, dass Männer ihre Fäuste gegen Frauen richteten. Er wusste, dass es viele taten, nicht nur Bauern, auch Adelige, und es wurde für Recht befunden, wenn das Weib sich nicht als gehorsam erwies. Er selbst hielt es für unsinnig – wo doch so viele andere Dinge des Lebens körperliche Kraft erforderten. Jetzt aber konnte er sich kaum bezähmen, sie nicht zu packen und zu schütteln, Sprünge hineinzuhauen in diesen unerträglichen Hochmut, diese Verachtung, diese eisige Selbstbeherrschung.
    »Ohne mich«, sprach er, nicht laut, vielmehr fast flüsternd. »Ohne mich würdest du immer noch bei dem gefräßigen, geizigen Bischof in Senlis hocken und Spielball deines Vaters und deines stotternden, hässlichen Bruders sein.«
    »Und ohne mich«, gab sie zurück, ohne zu zeigen, wie sehr seine Worte sie getroffen hatten, »würden dich demnächst die Ratten fressen.«
    Er schüttelte langsam den Kopf. »Ich frage mich, warum du ausgerechnet mich erwählt hast,

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