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Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
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würde,so zweifelte er, dass er einen derartigen Frieden jemals wieder selbst erleben könnte.
     
    Johannas Hände waren schwarz, als sie – es war etwa einen Monat nach ihrer Rückkehr nach Laon – Balduins Gemach betrat. Dunkle Halbmonde verunstalteten die Fingernägel, und kleine Erdklumpen klebten bis hoch zu ihren Ellbogen und rieselten nach und nach zu Boden. Der Dreck schien sie nicht zu bekümmern. Gedankenlos strich sie sich eine graue Haarsträhne aus dem faltigen, sonnengegerbten Gesicht und hinterließ dort dunkle Spuren.
    »Wie siehst du denn aus?«, entfuhr es Balduin.
    Zuerst hatte er sie nicht angeschaut, sondern in die Flammen des Kamins gestarrt, die vor ihm züngelten und offenbar seinen aufgewühlten Geist beschwichtigen sollten. Erst nach einer Weile, da sie nichts sagte, suchte er ihren Blick.
    »Ich war im Garten«, erklärte sie schlicht. Damit war nur die Hälfte gesagt. Der Garten war ihr stets einer der liebsten Orte gewesen, und die meisten Menschen kannten sie kaum anders als mit ihren Kräutern und Pflanzen beschäftigt. Doch seit ihrer Rückkehr nach Laon hatte sich ihr Verhältnis zur Natur gewandelt. Ziel- und nutzlos wühlte sie nun stundenlang in der Erde, nicht länger, um zu säen oder zu ernten, sondern einfach nur, um zu fühlen – den Boden unter sich und irgendwie sich selbst. Sie war sich so fremd geworden seit Rom und nicht sicher, ob sie erleichtert darüber sein sollte oder besorgt. Manchmal reute es sie, dass sie womöglich nie wieder etwas finden würde, was sie beschwichtigte, wie es bislang ihre Pflanzen getan hatten. Und manchmal dachte sie, dass sie nun vielleicht nichts mehr brauchte, was sie beschwichtigen müsste.
    »Gibt es … gibt es denn Neuigkeiten vom König?«, fragte sie. Selbst ihre Stimme klang anders. Kraftvoll durchdringend oder bedrohlich heiser war sie einst gewesen. Nun war sie dünn und weibisch.
    Balduin schüttelte den Kopf. »Bischof Hinkmar von Reimstut alles, um eine Versöhnung zwischen König Karl und Judith hinauszuzögern. Er weiß genau: Beugt jener sich der Bitte des Papstes, die Tochter wieder mit offenen Armen zu empfangen, dann sieht er wohl seinen eigenen Einfluss schwinden. Also muss er sich gegen Rom behaupten … Gott, wenn Gerold uns nicht beherbergen würde, wir würden noch des Hungers sterben!«
    »Du bist hier kein Gast, Balduin, du bist hier zu Hause.«
    »So?«, er richtete sich unwirsch auf und neigte sich dichter zu dem Feuer, die Flammen spiegelten sich in seinem blassen Gesicht. »Die Wahrheit ist doch: Ich bin ein Niemand, Johanna. Ich habe mein Lehen nicht zurückbekommen, und Judith verfügt weder über ihren einstigen Brautschatz noch hat sie eine Brautausstattung für die dritte Ehe erhalten.«
    Behutsam trat sie zu ihm, suchte Abstand zum Feuer zu halten, aber kam ihm doch nahe wie nie zuvor, als sie ihre Hand auf Balduins Schulter legte.
    »Du klingst gekränkt wie ein Kind, nicht entschlossen wie ein Mann. Lass nicht zu, dass dich falscher Stolz erneut fehlleitet.«
    »Falscher Stolz? Fehlleitet? Wovon sprichst du?«
    »Davon, dass dich am meisten schmerzt, Judith verloren zu haben. So muss es nicht bleiben. Nutze diese Zeit des Wartens, um dich mit ihr zu versöhnen.«
    »Aber Madalgis …«
    »Madalgis sollte nicht zwischen euch stehen!«, sprach Johanna eindringlich, und ihre Stimme wurde ein wenig fester. »Sie ist eine verirrte Seele! Wenn es sein muss, dann schiebe alles auf sie. Sag ihr, dass Madalgis dich verführen wollte an jenem Tag in Rom.«
    »Das weiß Judith doch längst. Aber das macht mein Verhalten nicht besser.«
    Er seufzte, und Johanna tat es ihm gleich.
    »Dennoch«, sagte sie nach einer Weile und rückte noch ein wenig näher zu ihm. Der Geruch nach nasser Erde war stärkerals jener des brennenden Holzes. »Dennoch – du solltest nicht hier hocken und darauf warten, dass sich die Dinge zu deinen Gunsten ändern. Du musst etwas tun, Balduin!«
    »Warum rätst du mir das? Ich dachte, du hasst Judith.«
    Sie ließ ihn los und hockte sich nun vor ihm nieder, um ihm besser ins Gesicht blicken zu können. Sie sah die Flammen nicht mehr, spürte lediglich deren Hitze an ihrem Rücken – spürte sie, aber hielt ihr stand.
    »Ja, ich habe sie gehasst«, sagte sie entschlossen. »Aber jetzt denke ich mir: Sie ist eine Frau, die nicht nur wie ich dein Lächeln sieht, sondern auch die Schatten deiner Seele. Vielleicht ist das ein größeres Gut, als ich gedacht habe.«
    Balduin mied ihren Blick,

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