Das Geständnis der Amme
Denn als sein Blick auf seine Gattin fiel, stand darinnur Stolz – und auch ein wenig Gönnerhaftigkeit. Ganz ohne die übliche Scheu, die sie bei ihm oft im Umgang mit Frauen erlebt hatte, legte er seinen Arm um die Gattin und grinste breit, als sich jene – von den vielen Fremden im Hof deutlich verschreckt – an ihn presste.
Judith fielen keine aufmunternden Worte ein, die sie zu Ansgard sagen konnte. »Du bist verrückt geworden, hierher zu kommen!«, brach es stattdessen aus ihr hervor.
»Ach w-w-w-was!«, tat Ludwig ihre Bemerkung ab und zog Ansgard noch fester an sich. »V-V-V-Vater hat mich um eine letzte Unterredung gebeten. In Soissons. Und ich d-d-d-dachte, auf dem W-W-W-Weg dorthin könnte ich mich von dir verabschieden.«
»Was wohl bedeuten soll, dass du die Unterredung mit dem König nicht für eine Versöhnung nutzen willst«, stellte Judith fest.
»W-w-w-warum sollte ich?«, fuhr Ludwig auf. »Das erste M-M-M-Mal in meinem Leben nimmt V-V-V-Vater mich ernst.«
»Ach Ludwig«, meinte Judith kopfschüttelnd. »Er nimmt doch nicht dich ernst, sondern dein Bündnis mit Salomon.«
»W-w-w-was aufs Gleiche herauskommt! Salomon und ich werden zuerst ins Anjou ziehen.«
»Um Graf Robert zu schlagen?«, rief Judith entsetzt aus. Bis vor kurzem war Salomon noch Robert von Anjous, nicht Ludwigs Verbündeter gewesen.
Ludwig zuckte nur trotzig mit seinen Schultern.
Unbehaglich glitt Judiths Blick zurück auf Ansgard, die dem allen gelauscht hatte, ohne es in irgendeiner Weise zu begreifen.
Ein Kind, ging es ihr durch den Kopf, sie ist doch noch ein Kind … so wie ich eins war, als Vater mich in Ethelwulf s Bett legte …
Sie wusste nichts über Ansgards Herkunft, aber sie hätte schwören können, dass sie aus irgendeiner aufrührerischen Adelsfamilie stammte, die dem König ihre Macht vor Augen hielt und ihm eins auswischte, indem sie einem aufrührerischen Prinzen die Tochter anvertraute.
»Unser Vater, der König, weiß also nicht, dass du geheiratet hast«, sagte Judith, weil ihr nichts anderes einfiel.
»Das w-w-w-würde doch die ganze Überraschung zunichtemachen!«, rief Ludwig leichtfertig aus.
Judith kam nicht umhin, erneut den Kopf zu schütteln. »Du weißt, was du tust, Ludwig, oder? Laut der
Ordinatio Imperii
müssen selbst die Brüder des Kaisers ihn fragen und um Erlaubnis bitten, ehe sie den Bund der Ehe eingehen. Allein deine Eheschließung wäre für den König ein Grund … ein Grund …«
»W-w-w-was?«, fragte Ludwig. »Ein Grund, mich blenden zu lassen? Das ge-ge-geschieht doch mit Aufrührern! V-v-v-vor allem dann, wenn sie aus der K-K-K-Königsfamilie kommen. Und da du mich fragtest, ob ich w-w-w-weiß, was ich tue: Ja, so ist es. Ich w-w-w-weiß es. Ich bin erwachsen, und ich will so behandelt werden.«
Es war nicht ihre Art, die Wahrheit unausgesprochen zu lassen, aber sämtliche Widerworte schienen Judith in diesem Augenblick so nutzlos, dass sie ihr in der Kehle stecken blieben. Ludwig würde kein Einsehen haben, nicht begreifen wollen, dass Salomon von der Bretagne und verschiedene fränkische Adelsfamilien ihn nur für ihre Zwecke missbrauchten.
»Wenn unser Vater erfährt, dass du mich hier besuchst, Ludwig, wird er sich endgültig darin bestätigt finden, dass ich schon lange vor ihm von deinen Plänen wusste.«
Wieder zuckte Ludwig nur mit den Schultern. Er zog Ansgard noch fester an sich, als er vom Hof weg in Richtung der wärmenden Halle ging. Eben hatte es zu nieseln begonnen, das rötliche Haar der jungen Prinzessin kräuselte sich augenblicklich zu Locken.
»Ich w-w-w-wusste nicht, dass dir am W-W-W-Wohlwollen unseres Vater derart viel liegt«, warf er ihr über die Schultern zu.
Widerstrebend folgte Judith dem jungen Paar und verkniff es sich erneut, ihre Gedanken auszusprechen – dass Ludwig, obwohl sie sich nahe standen, nicht zögern würde, sie ins Verderben zu reißen, ob nun aus Unachtsamkeit oder mit Absicht. SeineZuneigung zu ihr war immer ehrlich gewesen, aber er liebte sie nicht mehr als sich selbst – und das war zu wenig.
»Gib acht auf dich, Ludwig«, war das Einzige, was sie ihm noch sagte. »Gib acht auf dich.«
Später schickte Judith all ihre Damen fort, um ihre Ruhe zu haben. Doch kaum war sie allein, fühlte sie sich noch bedrückter.
Die Gedanken, die sie eigentlich hatte ordnen wollen, machten sich selbstständig, schienen vor ihr davonzulaufen; es drängten sich ganz andere auf, als sie bezweckt hatte, nicht nur
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