Das Geständnis der Amme
nüchterne überlegungen, wie sie verhindern konnte, dass Ludwigs aufrührerisches Verhalten auch ihr angelastet würde, sondern vor allem überdruss, weil sie überhaupt darüber nachdenken musste.
Ach Ludwig!, schimpfte sie innerlich. Was tust du mir an?
Sie ärgerte sich über ihn und zugleich über ihre eigene Ohnmacht, ihn nicht empfangen zu können, wie und wann sie es für richtig hielt.
Wie zuvor rieb sie unruhig die Hände aneinander und merkte es erst, als sie bereits rot und wund waren.
Als es an der Tür klopfte, war sie erleichtert. Gleich, wer sich da ihrer Anweisung widersetzt hatte, sie allein zu lassen, Hauptsache, sie wurde von ihrer Last abgelenkt.
Sie stand mit dem Rücken zur Tür gewandt, wollte eigentlich nur einen kurzen Blick über die Schultern werfen und fuhr dann doch mit einem Satz herum, als sie gewahrte, wer den Raum betreten hatte. Sie hatte mit Ludwig gerechnet, der vielleicht unter vier Augen mit ihr reden wollte, oder mit einer ihrer Damen, vielleicht mit Madalgis, die ihr mittlerweile von allen am nächsten stand, weil sie am besten ihre Sorgen und ängste kannte und sie zugleich doch niemals aussprach. Ja, mit Madalgis war gut schweigen.
»Ihr?«, fragte sie.
»Darf ich eintreten?«, gab Balduin zurück.
Sie nickte wortlos und musterte ihn, was ihn verlegen zu machenschien. Sein Blick schweifte durch ihr Gemach. Wahrscheinlich war es prächtiger eingerichtet als alles, was er kannte. Ob sie es nun König Karl oder dem Bischof zu verdanken hatte – irgendeiner der beiden hatte befunden, dass ihr Gefängnis nicht wie ein solches aussehen sollte.
Sämtliche hölzernen Bänke waren mit Stoff bezogen. Die Stühle hatten gepolsterte Rückenlehnen, auch die mit Streben aus Metall, die man zusammenklappen konnte. Ihr Vorlesepult war mit einem bebilderten Behang ausgestattet, der eine Szene aus dem Alten Testament zeigte – sie hatte nie recht ergründet, ob es Abraham oder Tobias mit dem Engel war. Die Tische waren mit leuchtend bunten Tüchern bedeckt.
»Ihr begleitet meinen Bruder«, stellte sie schließlich fest, als er nichts sagte.
»Ihr seid nicht erstaunt darüber«, sagte er und schien erleichtert, dass sie als Erste zu sprechen begonnen hatte. »Das heißt … Ihr wisst es noch nicht. Nun, vielleicht bin ich für Ludwig nicht wichtig genug, damit er es Euch erzählt …« Er brach mitten im Satz ab, schien nicht die rechten Worte zu wissen, ihn fertig zu bringen.
»Was soll er mir erzählen? Und was weiß ich noch nicht?«
»Ach, es ist … es ist schwierig.«
»Sagt es mir!«, verlangte sie forsch.
Sein Blick bohrte sich nunmehr in den Holzboden. »Ich möchte mich nicht an seinem Aufstand beteiligen«, gestand er schließlich, und sie hörte seiner Stimme an, wie schwer ihm dieser Entschluss noch immer fiel, wie viel Zweifel ihn begleiteten – und wie viel Triumph. »Ich habe mich geweigert, mit Prinz Ludwig in die Bretagne zu reiten«, fuhr er fort. »Und eigentlich dachte ich, dass ich danach nicht wieder von ihm hören würde. Trotzdem hat er mich hierher bestellt, wahrscheinlich, um mich umzustimmen. Aber … das wird ihm nicht gelingen.«
Als er eingetreten war, hatte sie an ihre ersten Begegnungen denken müssen, an den trotzigen Gesichtsausdruck, der damals in seiner Miene gestanden und der sie angestachelt hatte, ihmimmer weiter zuzusetzen. Doch nun, da die Worte aus ihm hervorquollen, dachte sie vor allem an das, was damals im Stall passiert war.
Unwillkürlich hob sie ihre Hand und berührte ihre eigene Wange an einer ähnlichen Stelle wie jener, an der sie damals über seine gestreichelt hatte. Ihr verächtliches Urteil, das sie anfangs über ihn gefällt hatte, war Mitleid gewichen. Er ist ein Getriebener, hatte sie damals im Stall gedacht – und das dachte sie auch jetzt.
»Und warum kommt Ihr ausgerechnet zu mir, um darüber zu sprechen?«, fragte sie leise.
Kurz hob er seinen Blick, irgendwie suchend, senkte ihn dann aber rasch wieder. »Ich bin mir nicht sicher, ob Ihr wisst, dass er … dass Ludwig mir Eure Hand angeboten hat.«
Sie musste sämtliche Beherrschung darein legen, ihn gleichmütig anzusehen und nicht den ärger, der in ihr hochstieg, auf ihn schwappen zu lassen. Also auch du, Ludwig!, durchfuhr es sie. Du denkst wie der Rest, du könntest über mich verfügen, könntest mich als Braut verscherbeln, um ein Bündnis zu stärken.
»Nein, das wusste ich nicht«, sagte sie ruhig und unterdrückte ihren ärger. »Ich nehme an,
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