Das Geständnis der Amme
Ihr habt abgelehnt, weil Ihr mich nicht wollt. Ist das der Grund, warum Ihr Ludwig nicht auf seinem … Abenteuer begleitet? Weil die Last zu schwer wäre, mich zum Weib zu haben?«
»Mitnichten!«, sagte er schnell. »Meine Entscheidung hat nichts mit Euch zu tun. Es ist eine Sache zwischen Ludwig … zwischen Prinz Ludwig und mir. Ungeachtet der Rolle, die er Euch darin zuweist, heiße ich seine Pläne nicht gut.«
Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Sie wusste nicht, was es hervorrief, aber sie sah, dass er es unwillkürlich erwiderte, als sich ihre Blicke trafen. Zugleich schoss Röte in sein Gesicht – und Erleichterung. Offenbar fühlte er sich von ihrem Blick nicht entblößt und zurechtgewiesen, sondern verstanden.
Sie zögerte kurz, rieb wieder ihre Hände aneinander, rang mitsich, ob sie Ludwig in den Rücken fallen durfte. »Ihr habt die richtige Entscheidung getroffen«, meinte sie schließlich.
Überraschung breitete sich in seinem Gesicht aus. Sie sah, wie er unwillkürlich einen Schritt auf sie zumachte. »Weil ich Ludwig keine Gefolgschaft leisten will? Oder weil ich Eure Hand ausgeschlagen habe?«
Sie wich einer Antwort aus. »Ludwig ist nicht der Einzige, der sich gegen unseren Vater auflehnt … und nicht der Einzige, der eine Ehe geschlossen hat, die vom König nicht bewilligt wurde. Wusstet Ihr, dass nicht nur Ludwig, sondern auch mein Bruder Karl heimlich geheiratet hat?«
»Nein …«, antwortete er zögernd.
»Man nennt ihn Karl das Kind – ich glaube, um die Tatsache zu verbergen, dass er strohdumm ist. Nun, mein Bruder Karl sollte zum König der Aquitanier erhoben werden. Für meinen Vater wäre er in dieser Rolle vor allem ein verlängerter Arm seiner selbst. Das ahnten auch die Großen des Landes, die sich deswegen diesen Plänen widersetzen – zwar nicht, ihn zum König zu machen, jedoch ihn als verlängerten Arm meines Vaters anzunehmen. Offenbar tun sie alles, um meinen Bruder Karl auf ihre Seite zu ziehen und ihn von meinem Vater zu entfremden. Er hat sich mit der Witwe des Grafen Humbert von Bourges vermählt und besteht darauf, dass er Aquitanien fortan nicht als Unterkönig, sondern selbstständig regieren wird. Ich weiß nicht, ob mein Vater in Aquitanien einmarschieren wird. Tatsache ist, dass Ludwig sich den richtigen Zeitpunkt ausgesucht hat, um sich gegen ihn aufzulehnen … Und ich sollte offenbar die Dritte im Bunde sein, die sich eigenmächtig einen Gatten nimmt, auf dass alle Großen des Landes erkennen, dass selbst seine engste Familie nicht mehr zum König steht.«
Zu Beginn der langen Rede war sie auf und ab geschritten, jetzt blieb sie vor Balduin stehen.
»Ihr scheint das nicht gutzuheißen«, sagte er. »Ich hatte erwartet, dass Ihr auf der Seite Eurer Brüder stündet.«
»Und ich hatte erwartet, dass Ihr Ludwig bedenkenlos folgenwürdet. Er scheint hohe Stücke auf Euch zu halten, wenn er Euch Euer Zaudern verzeiht und Euch ausgerechnet hierher bestellt, damit Ihr den möglichen Preis, der Euch winkt, noch einmal in Augenschein nehmen könnt.«
Ihr Lächeln war noch nicht erloschen, aber sie fühlte, wie ihre Lippen sich verkrampften.
Warum auch du, Ludwig?, ging es ihr wieder durch den Kopf, nicht mehr ärgerlich, sondern traurig. Warum versuchst auch du, mich zu verschachern?
Balduin zuckte indessen die Schultern. »Ich glaube, Eurem Bruder ist nur bewusst geworden, dass sein Kampf gegen den König schwieriger werden könnte als erwartet. Graf Robert von Anjou aus dem Haus der Rorgoniden scheint sich mit dem König wieder versöhnt zu haben, und deswegen …«
Judith nickte nachdenklich.
»Ludwig wird scheitern«, flüsterte sie. »Denkt nicht, es wäre Respekt für meinen Vater, der mich antreibt. Aber ich kenne Ludwig wahrscheinlich noch besser als Ihr: Er ist viel zu schwach für einen solchen Krieg, er taugt nicht zum Herrscher und wird niemals einer sein. Er hätte Mönch werden sollen wie mein jüngerer Bruder Lothar, denn er hätte gewiss Freude an der Gelehrsamkeit gefunden. So aber muss er aller Welt beweisen, dass er trotz seines Stammeins und seiner sonstigen Makel ein ganzer Mann ist.« Sie machte eine kurze Pause. »Wie ich schon sagte: Ihr habt die richtige Wahl getroffen, Graf Balduin. Löst Euer Geschick von dem meines Bruders – und kämpft Eure eigenen Kriege, nicht seine.«
»Und wenn ich diese Kriege nicht kämpfen will?«, gab er unerwartet zurück.
Er sprach ganz leise, fast raunend. Als sie ihn überrascht
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