Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geständnis der Amme

Das Geständnis der Amme

Titel: Das Geständnis der Amme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Krohn
Vom Netzwerk:
anblickte, war sie geneigt, die Frage einfach zu überhören, sie nicht an jene Vertrautheit rühren zu lassen, die damals im Stall entstanden war.
    »Ich bin nicht diejenige, die Euch davon befreien kann«, murmelte sie.
    Schweigend starrte er sie an, irgendwie kindlich und trotzig, wie ihr schien, wobei der Trotz vielleicht auch Willensstärke war, das Kindliche nur Aufrichtigkeit. Sie erwiderte seinen Blick. Sie wusste, dass sie mit ihren kühlen, blauen Augen Menschen beunruhigen, gar quälen konnte, und kurz war sie geneigt, sich auch mit ihm auf diesen Kampf einzulassen, ihn so durchdringend anzublicken, bis er nachgab und die Augen senkte. Doch dann tat sie nichts weiter, als sein Gesicht zu studieren. Sie hatte es noch nie genau betrachtet, auch damals im Stall nicht, hatte sich, wenn seitdem sein Name gefallen war, nur an seine Statur erinnert, nicht an seine hellen Augen. Sie waren offen, klar, wenngleich von kleinen Wülsten umgeben. Seine Haut war gegerbt, an manchen Stellen vernarbt, seine Wangenknochen breit, sein Kinn ein wenig schwammig. War er schön und dies der Grund dafür, dass er die Frauen so leicht für sich einnahm? Freilich, Männer mussten nicht schön sein, nur Ruhm versprechen, einen berühmten Namen, Macht, Tapferkeit. Joveta hatte das bei ihm gesucht, auch Madalgis. Sie konnte sich in diesem Augenblick nicht entscheiden, ob sie die beiden für ihre Schwäche verachtete oder sie verstand.
    »Habt Dank«, sagte sie, um ihre Gedanken zu unterbrechen. »Habt Dank, dass Ihr meine Hand ausgeschlagen habt.«
    »Ihr klingt nicht sonderlich erleichtert, sondern … gleichgültig.«
    »Was lohnte es sich auch?«, gab sie steif zurück. Sie schlug die Augen nicht nieder, aber sie wandte sich wieder von ihm ab. »Ich meine: Es hat sein Gutes, die Welt nüchtern zu betrachten und nicht von Tränen verschleiert. Ich rate Euch das Gleiche, um Eure Lasten zu tragen …«
    Er schwieg. Dann hörte sie, wie er sich umdrehte, zur Tür ging, und sie erwartete, dass er sie wortlos verlassen würde. Doch offenbar fiel es ihm schwer, sie einfach stehen zu lassen. »Ich sollte jetzt … mit Ludwig sprechen«, murmelte er. »Lebt wohl!«
    Sie drehte sich um, doch nun hatte er ihr den Rücken zugewandt. »Bleibt noch bis zum Abend!«, forderte sie, ehe sie überlegenkonnte, warum sie das wollte. »Der Bischof ist nicht hier. Wir könnten Ludwigs und Ansgards Hochzeit feiern und so tun, als wäre die Welt eine schöne, auch wenn sie morgen in Trümmern liegt.«
     
    Balduin hatte Ludwig selten Wein oder Bier trinken sehen, doch an jenem Abend machte er von Beginn an den Eindruck, als wäre er berauscht. Es ging das Gerücht, dass er selbst mehrmals in der Küche erschienen war, um dort anzuordnen, dass nur die teuersten und edelsten Speisen serviert werden sollten – ein Wunsch, der für viel Unruhe sorgte, wusste man doch vom Geiz des abwesenden Bischofs und dass jener sämtliche Leckerbissen für den eigenen Magen beanspruchte. Schließlich fügte man sich doch dem Willen des Königs sohns, und Ludwig ging während des Festmahls immer wieder an der Tafel auf und ab, als wäre alles, was sich darauf befand, allein sein Verdienst.
    Balduin entging nicht, dass der Prinz etwas wankte – und auch die scheue Ansgard wurde zunehmend rot im Gesicht, nachdem Ludwig ihr zunächst Apfel- und Brombeerwein und dann Birnenmost eingeschenkt hatte.
    Balduin konnte indes keinen Schluck durch seine trockene Kehle bringen. Sein Magen fühlte sich leer und hungrig an, aber beim Blick auf die Speisen wurde ihm übel. Es gab Schweinebauch und Rinderlenden, gebratene Rippen und mit Pflaumen gefüllte Hühner und Gänse. Zuletzt wurde eine beliebte Süßspeise aufgetischt – eingekochte Birnen. Während Ansgard nur wenig von dem Fleisch genommen hatte, langte sie jetzt kräftig zu und glich mit ihrem einfältig beglückten Gesicht einem kleinen Kind, das ausnahmsweise in den Naschtopf greifen darf, während ansonsten die strenge Mutter darüber wacht.
    Sie hat keine Ahnung, was Ludwigs Ehe mit ihr bedeutet, ging es ihm durch den Kopf – und er fühlte sich leer und traurig bei dem Gedanken, während Ludwig noch immer mit hektischen Schritten an der Tafel vorbeistolzierte und nun, da der allgemeine Hunger gesättigt war, nach Unterhaltung verlangte.
    Er sah durch Balduin hindurch, als wäre er nicht vorhanden – in der gleichen Weise, wie er es zuvor getan hatte, als Balduin das vertrauliche Gespräch mit ihm gesucht hatte und

Weitere Kostenlose Bücher