Das Gewicht der Liebe
sogenannte Wissen über Sie? War da ein Donnergrollen? Ein Blitz?«
Cabot hatte Roxanne erzählt, er werde dem Staatsanwalt eine genügend lange Leine lassen und abwarten, bis er sich selbst daran erhängte. Er bezeichnete Jackson als eine Bulldogge, die wie eine Dampfwalze vorpreschen würde, wenn man ihr die Möglichkeit ließe. Er sagte, Jackson würde Simone mitleiderregend und hilfloser erscheinen lassen, als er, Cabot, das jemals könnte.
Jackson fragte: »Glauben Sie, dass Gott zu Ihnen gesprochen hat, Mrs. Duran?«
Simone schlug die Hände über die Ohren. »Niemand hat gesprochen. Da war keine Stimme. Ich wusste es einfach.«
Jacksons Schultern sackten nach vorn, als hätte ihn das Kreuzverhör mit Simone erschöpft. Kopfschüttelnd drehte er sich um und ging in Richtung seines Klägertisches.
Er ist fertig, dachte Roxanne, geschockt vor Erleich terung.
Und dann blieb er stehen und kehrte zurück.
»Mrs. Duran, im Juli gab es einen Vorfall in Ihrem Haus, der Ihre Tochter Merell veranlasste, die 911 anzurufen. Würden Sie der Jury erzählen, was an diesem Tag geschehen ist?«
»Merell hat das bereits erzählt.«
»Jetzt würde ich es aber gerne von Ihnen hören.«
»Ich war mit Olivia, dem Baby, im Pool. Sie hat gezap pelt und sich aus meinen Armen gewunden.« Simone drehte sich ein Stück zur Seite, um die Jury direkt anzusprechen. Sie hörte sich jetzt selbstbewusst an, nicht mehr hilflos oder verwirrt. »Merell saß auf den Stufen, sie sah nicht, was passierte, jedenfalls nicht genau. Sie hat die 911 angerufen, um Aufmerksamkeit zu bekommen.«
Ihre Aussage klang zu einstudiert.
»Merell will immer im Mittelpunkt stehen.«
Die erste Unwetterwelle war nach Osten abgezogen. Es regnete nach wie vor mit kurzen Unterbrechungen, aber durch die verschmierten Fensterscheiben des Gerichtssaals konnte Roxanne ein paar Flecken blauen Himmels und gelegentlich auch einige Sonnenstrahlen sehen. Es wurden weitere Unwetter vorhergesagt, aber im Moment wirkte die Welt jenseits des Gerichtssaals so hell wie seit Tagen nicht mehr. Sonnenschein und blauer Himmel genügten indes nicht, um nach den vielen Zeugenaussagen die Atmosphäre aus Ermattung und Erschöpfung zu über winden, die über dem Gerichtssaal hing, als Johnny am Ende der zweiten Verhandlungswoche in den Zeugen stand trat.
Als er vom Zeugenstand in die Zuschauerreihen blickte, verschwanden seine Augen beinahe in den dunklen Höhlen, und – für Roxanne am aufschlussreichsten – er lächelte nicht. Das war Johnny Duran, beraubt allen Glanzes, Ehrgeizes und Charmes, Johnny, entblößt bis auf die Knochen.
Cabot fragte: »Mr. Duran, Sie haben Simone kennengelernt, als sie achtzehn war. Wie war sie damals?«
»Schön. Weiblich.«
»Was meinen Sie mit weiblich?«
»Nicht aggressiv oder fordernd. Sie hatte keine vorgefertigten Meinungen.«
»Und das hat Ihnen gefallen?«
»Ich bin konservativ. Ich mag Frauen, die sich wie Frau en benehmen.« Johnny sprach ohne Gemütsbewegung. »Sie hatte nichts dagegen, dass ich für sie sorgte, und wenn ich ihr etwas erzählte, hörte sie mir zu. Zwischen uns gab es nie irgendein Gefühl von Konkurrenz.«
»Sie brauchte Sie.«
»So könnte man das sagen.«
»Wann haben Sie das erste Mal bemerkt, dass Mrs. Duran zu Depressionen neigt?«
»Einmal, bevor wir geheiratet haben, erzählte mir ihr Stiefvater, dass sie diese … diese Stimmungen hat. Den Ausdruck ›Depression‹ hat er nicht verwendet. Er sagte, sie sei sehr zerbrechlich und könne nicht gut mit Stress umgehen.«
»Was war Ihre Reaktion?«
»Ich wollte mich um sie kümmern.« Roxanne hörte aus seinen Worten einen Anflug von Streitlust heraus.
»Wann wurde Ihnen bewusst, dass Ihre Frau mehr als nur empfindsam oder zerbrechlich war?«
Johnny betrachtete Simone mit einem Ausdruck, den Roxanne als zärtlich empfand. »Sie hatte diese Marotten.«
»Können Sie uns ein Beispiel nennen?«
»Sie trug nie Sandalen oder ging barfuß. Sie sagte, sie wolle nicht, dass andere Leute ihre Füße sehen.«
»Ist mit ihren Füßen etwas nicht in Ordnung?«
»Nein, alles ganz normal. Sie hat sich als Kind einen Zeh gebrochen, der jetzt in einem komischen Winkel absteht, aber das fällt kaum auf. Sie erzählte, sie habe sich den Zeh gebrochen und der Arzt hat ihr den Zeh von jemand anderem angenäht.«
»Was dachten Sie, als Sie das hörten?«
»Ich hielt das für einen Scherz.«
»Was hat Sie dazu bewogen, Ihre Meinung zu ändern?«
»Nachdem wir
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