Das Gewicht der Liebe
etwas ausmessen und aus Versehen ein paar Zentimeter hinzufügen. Es bringt alles durcheinander.«
»Merell wäre glücklich, wenn sie mehr Zeit mit dir verbringen könnte.«
»Ja, ja, das wäre nett. Das würde ich auch gern, nur bin ich im Moment total überlastet. Wir bauen ein Hotel in Vegas, das erfordert meine gesamte Zeit.« Er deutete auf seinen unordentlichen Schreibtisch. »Ich weiß nicht, ob ich den Vertrag unterzeichnet hätte, wenn mir bewusst gewesen wäre, wie zeitaufwendig das ist. Die Auftraggeber, diese Chinesen – gottverdammte Milliardäre, das kannst du mir glauben –, sie wollten, dass ich sogar am Labor-Day-Wochenende arbeite, aber ich habe ihnen klipp und klar erklärt, dass ich mit meiner Familie an den See fah ren werde. Keine weitere Diskussion. Kein Feilschen.« Er grinste unvermittelt. »Du solltest mit uns kommen, Roxanne.«
Johnny ließ sich in den Ledersessel hinter seinem Schreibtisch fallen und trank sein Glas mit einem langen Schluck aus. »Wie geht’s Ty?«
Roxanne würde sich eher die Zunge abbeißen, als Johnny Duran in ihre privaten Probleme einzuweihen. »Wir feiern im Oktober unseren ersten Hochzeitstag.«
»Glückliche Ehe, was?«
»Kann man so sagen.« Ihr Lächeln, ihr Ton – durch und durch gekünstelt, doch sie hatte keine Sorge, dass Johnny Duran das auffallen würde. Er sah und hörte nur das, was ihm in den Kram passte.
»Hey, ich schlage vor, wir feiern euren Jahrestag bei uns. Seit eurer Hochzeit hat dieses Haus keine richtig wilde Party mehr erlebt.« Er beugte sich nach vorne. »Ich werde das Catering organisieren, und wir engagieren eine kleine Band. Nichts würde mir mehr Vergnügen bereiten, Roxanne.«
Sein Eifer wirkte ansteckend, und in einem Winkel ihres Herzens wollte Roxanne zu gern Ja sagen, einfach nur, um ihm die Freude zu machen.
»Ach, wir werden uns wahrscheinlich irgendwohin verdrücken, aber trotzdem danke für das Angebot.«
»Wenn du deine Meinung änderst, brauchst du es nur zu sagen.« Er lehnte sich wieder zurück. »Woran arbeitet er gerade?«
»Noch an derselben Sache wie vor einem Jahr, irgendeine Art von Superantibiotikum. Er meint, die Erkältungsbazillen werden nie erfahren, was ihnen den Garaus gemacht hat.«
»Du verstehst was von dem Scheiß?«
Sie lachte. »Nur gerade so viel, um halbwegs intelligente Fragen zu stellen.«
»Trickst ihn aus, was?« Johnny schenkte sich ein zweites Glas ein. »Ihr Frauen. Gegen euch haben wir einfach keine Chance.«
Johnny war Frauen gegenüber niemals beleidigend, ganz im Gegenteil. Doch hinter seiner Galanterie, seiner Schmeichelei und seinem liebevollen Necken spürte sie eine tiefe Verachtung, als wollte er sie wissen lassen, dass er sie nicht wirklich respektierte, und sie gleichzeitig dazu zwingen, den Anschein aufrechtzuerhalten, er würde es doch tun.
Es war Zeit zu gehen, doch vorher gab es noch etwas, das sie ihm sagen musste, selbst auf die Gefahr hin, dass er wütend werden würde.
»Simone ist nur noch Haut und Knochen, Johnny. Sie hätte so kurz nach Olivia nicht schwanger werden dürfen.« Sie hätte auch hinzufügen können, dass Simone depressiv war, desorientiert und außerstande, die Kinder, die sie bereits hatte, zu versorgen. »Ich glaube, es verwirrt die Mädchen, wenn sie sehen, dass ihre Mutter nichts für sie tut, sie einfach nur an Nanny Franny weiterreicht.«
Der Bruchteil einer Sekunde verstrich. »Du kennst dich ja mit diesen Dingen aus, was? Hast eine Menge Erfahrung darin?«
Bevor ihr eine Antwort eingefallen war, redete er weiter. »Denkt man an all den Mist, den Simone durchgemacht hat, kann man sie nur bewundern … Sie ist zäh. Diese vielen Fehlgeburten. Die meisten Frauen hätten längst aufgegeben.«
»Sie hat es für dich getan, Johnny. Wenn es nach Simone gegangen wäre, hätte sie wahrscheinlich gar keine Kinder bekommen.«
»Sie weiß, wie sehr ich mir einen Sohn wünsche, Rox. Männer brauchen Söhne. So sind wir nun mal.«
Am Nachmittag hatte Simone Roxanne erzählt, sie sei sich sicher, dass dieses Kind ein Junge sei. In einer weiteren Woche würde die Schwangerschaft weit genug fortgeschritten sein, um das Geschlecht durch Ultraschall feststellen zu lassen.
»Eine Frau ist glücklich, wenn ihr Mann glücklich ist. So funktioniert eine Ehe, Roxanne.«
Seine Bemerkung traf sie, da sie auf das erste Hinhören wahr zu sein schien. Wenn sie Ty nach Chicago begleitet und auf die dort versammelten wissenschaftlichen Größen einen
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