Das Gewicht der Liebe
und an ihrem Schnuller nuckelnd, schlief sie ein. Merell war noch wach, als Roxanne die Kinderzimmertür schloss. Sie sprang aus dem Bett, quasselte nonstop.
»Ich will dir nur noch eine Sache zeigen, okay? Es ist wirklich was Besonderes. Okay? Danach gehe ich ganz bestimmt ins Bett. Versprochen. Heute ist Dienstag, und ich habe noch bis nächste Woche schulfrei, und außerdem bleibe ich manchmal bis Mitternacht auf.«
»Aber nicht, wenn ich hier bin.«
»Nur eine Viertelstunde?«
Roxanne deutete auf das Zifferblatt ihrer Armband uhr, versuchte, ihr Lächeln zu unterdrücken. »Eine Viertel stunde, keine Sekunde länger.«
Merell rannte durch das Haus hindurch in die Garage. Johnny und Simone waren mit Johnnys Porsche zu dem Dinner gefahren, und die beiden anderen Autos gehörten Simone, ein schwarzer Cayenne-Van und daneben eine große Mercedes-Limousine, ebenfalls schwarz, mit dunkel getönten Scheiben. Die beiden Fahrzeuge sahen aus wie Gangsterschlitten.
Als würde sie eine Besichtigungstour für Besucher veranstalten, sagte Merell: »Daddy hat den Cayenne gekauft, damit Mommy mit uns zum Strand und zum Zoo und so fahren kann, aber sie ist zu nervös.« Sie hüpfte durch die Garage zu einer gegenüberliegenden Tür mit einem Fenster darin. »Ich wette, du wusstest gar nicht, dass wir zwei Garagen haben. Diese hier ist erst vor drei Wochen fertig geworden. Wir dürfen nicht rein, deshalb ist die Tür abgeschlossen.«
Ein Schlüsselbund hing an einem Haken neben der Tür, der für Merell, selbst wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte, knapp außerhalb ihrer Reichweite war. »Aber wir können durch das Fenster schauen. Das ist okay.« Sie knipste einen Lichtschalter an, der die zweite Garage erhellte. »Wir müssen nur daran denken, dass wir das Licht wieder ausmachen, bevor wir gehen, weißt du nämlich, dass Licht Hitze erzeugen kann? Diese Garage hat einen Temperaturregler, deshalb wird es dort nie richtig heiß oder richtig kalt. Durch die Klimaanlage sind es immer genau zwanzig Grad.«
Als Roxanne durch das dreißig mal dreißig Zentimeter große Fensterquadrat blickte, fiel ihr als Erstes auf, wie sauber die neue Garage war: Nirgendwo standen Plastiktonnen voller alter Kleidung und Christbaumschmuck herum; keine Skier oder Surfbretter spannten sich über den Dachbalken; keine offenen, mit Werkzeug überladenen Regale reihten sich an der Garagenwand. Entlang der rückwärtigen Wand war ein Streifen Teppich ausgelegt – blassblau –, aber der Großteil des Bodens bestand aus schimmerndem Hartholz, auf dem fünf Oldtimer nebeneinander geparkt waren, die Scheinwerfer auf die Rückwand gerichtet und mit spiegelblank polierten Karosserien, auf denen sich gleißend das Licht der Deckenbeleuchtung spiegelte.
Merell redete weiter, erzählte Roxanne einige Dinge, die Roxanne bereits wusste, und andere, die ihr neu waren. »Be vor er die neue Garage bekam, hat Daddy seine Autos in einem Lagerhaus aufbewahrt. Ich wette, du hast sie noch nie gesehen, stimmt’s? Daddy meinte, es macht keinen Spaß, wenn die Autos am anderen Ende der Stadt stehen, und außerdem hat er dem Mann nicht vertraut, dem das Lagerhaus gehört. Er hat die Türen offen gelassen. Es wird noch ein spezieller Luftfilter eingebaut, damit die Luft wirklich ganz sauber ist, und wenn aus Versehen etwas Staub rein kommt, gibt es spezielle, superweiche Tücher, mit denen man den Schmutz entfernt.« Merell wartete einen Moment, damit ihre Worte sich setzen konnten. »Mommy mag den gelben am liebsten. Daddy hat sie einmal damit fahren lassen, als er ihn neu bekommen hat. Er nennt ihn Yellow Bird. Mommy sagt, sie wäre die glücklichste Frau der Welt, wenn er ihr den Wagen geben würde, aber Daddy sagt, das Auto ist zu kost bar und sie würde ihn wahrscheinlich zu Schrott fahren.«
Ein gelber V8 Camaro aus den Sechzigern und daneben ein gewehrkugelförmiger kirschroter Studebaker, vermutlich zehn bis fünfzehn Jahre älter.
»Der Rote ist mein Lieblingswagen, weil er aussieht wie ein Raketenschiff. Daddy sagt, er ist fast so alt wie Gramma Ellen, und er hat immer noch dieselbe Farbe, die er in der Fabrik bekommen hat.«
Neben dem Studebaker stand ein silberblauer Roadster aus den Zwanzigern mit Stoffverdeck: lang und niedrig, die Kotflügel geschwungen wie sich brechende Wellen. Daneben parkte ein bescheiden aussehender Kombi mit Holzverkleidung und an der hinteren Wand eine schwarze Limousine.
»Die hat mal einem richtig schlimmen Verbrecher
Weitere Kostenlose Bücher