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Das Gewicht des Himmels

Das Gewicht des Himmels

Titel: Das Gewicht des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Guzeman
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verrieten, was er wissen wollte. Der erste war zwei Tage alt – »Amtrak NBN, 58 – CONO, Union, 3-SWC.« Der zweite Eintrag war eine Telefonnummer. Er hatte sich nur die Vorwahl und die nächsten drei Zahlen einprägen können, bevor Saisee sich wieder zu ihm umdrehte, aber das hatte genügt.
    Auf dem Gebiet der USA gab es 282 Vorwahlen. Der gesamte Staat New Mexico verwendete seit 1947 die 505, aber erst vor zwei Monaten hatten die Countys, die nicht im Nordwesten und im Zentrum lagen – der größte Teil des Bundesstaates – eine neue Vorwahl erhalten: 575. Santa Fe, Albuquerque und Farmington hatten immer noch 505. Die Nummern in Santa Fe begannen alle mit 982.
    Nun nehme Finch wahrscheinlich an, er kenne die gesamten 282 Vorwahlen der USA. Tatsächlich hatte Dylan Jameson zu mehreren Galerien in Santa Fe geschäftliche Verbindungen unterhalten, und als Teenager hatte Stephen während mehrerer langer, öder Sommernachmittage alle Nummern in der Rollkartei seines Vaters auswendig gelernt. Alice Kessler befand sich in Santa Fe, New Mexico, und zwar schon seit ein paar Tagen. Stephen hatte das Gefühl, dass ihnen nicht mehr viel Zeit blieb.
    »Die Sache ist die, Stephen, wir richten Schaden an. Es genügt jetzt. Ich bin es leid, für die Sünden anderer geradezustehen. Das schlägt mir auf den Magen. Ich will nach Hause und Weihnachten mit meiner Tochter und meinem Schwiegersohn verbringen und diese ganze Geschichte vergessen.«
    »Seien Sie vernünftig, Finch. Sie sagen, wir hätten alles getan, aber das stimmt nicht. Wir haben nicht alles getan, solange wir Alice nicht gefunden und sie nach den Bildern gefragt haben. Wir müssen sie ja sonst nichts weiter fragen.«
    Finch verdrehte die Augen. »Ach, und das würde Ihnen reichen? Haben Sie eine Vorstellung, wie viele Leute in Santa Fe wohnen? Nein, sagen Sie nichts. Bestimmt wissen Sie es, und das deprimiert mich nur wieder. Glauben Sie, sie läuft mit einem Schild durch Santa Fe, auf dem ›Ich bin Alice Kessler‹ steht?«
    »Ich kann sie finden.«
    »Das bezweifle ich, aber angenommen, Sie könnten. Wieso sollte sie uns irgendetwas über das Bild oder ihre Tochter erzählen? Sie haben keine Kinder. Sie verstehen nicht, dass Eltern alles tun, um ihr Kind zu beschützen. Aus irgendeinem Grund hat sie Thomas nichts erzählt. Glauben Sie wirklich, dass sie nach all der Zeit plötzlich mitteilsam wird, nur weil zwei Fremde in die Stadt spazieren, sie wie eine Kriminelle aufspüren und mit Fragen bombardieren?«
    »Dann denken Sie an Bayber, der nie die Chance hatte, seine Tochter kennenzulernen. Ist das etwa fair?« Doch je aufgeregter Stephen wurde, desto deutlicher kam seine Motivation zum Vorschein. Finch wusste, warum er die Suche nicht abbrechen wollte, bevor er die Gemälde gefunden hatte.
    »Natürlich ist das nicht fair, aber dafür sind wir nicht zuständig. Sie glauben, dass sich Ihr Leben verändern wird, wenn Sie dieses Problem lösen. Meiner Ansicht nach ist das eine unvernünftige Erwartung und eine sehr selbstsüchtige obendrein.«
    »Es geht nicht um irgendwelche beliebigen Gemälde, und das wissen Sie genau.«
    »Dann geht es Ihnen also darum, dass Sie Ihren früheren Ruhm wiederhaben wollen? Zum Teufel mit allen, die dabei auf der Strecke bleiben?«
    »Sie suchen sich einen komischen Zeitpunkt für Ihre Skrupel aus, Finch. Ich mache nur den Job, zu dem ich aufgefordert wurde. Vielleicht wollte er mich überhaupt deshalb dabeihaben. Weil er wusste, dass Sie sich emotional zu sehr auf diese Beziehungen, oder besser Nichtbeziehungen, einlassen würden. Wogegen ich mich auf die konkrete Aufgabe konzentrieren kann. Was ist daran so unvernünftig?«
    Finch bog auf den Motel-Parkplatz ab, unter den Reifen spritzte der Kies. »Ich weiß nicht, warum Thomas Sie wollte. Vielleicht haben Sie ihm leidgetan. Vielleicht hat er gemeint, dass er Dylan etwas schuldet. Es ist mir auch egal. Ich bin fertig damit.«
    »Dann finde ich sie alleine.« Stephen sprang vom Beifahrersitz und knallte die Tür hinter sich zu. Da Finch sich beim Mietwagen für ein Upgrade entschieden hatte, hatte seine Geste nicht den beabsichtigten dramatischen Effekt. Stephen rannte, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Außentreppe zum ersten Stock hinauf, schloss sein Zimmer auf und schlüpfte hinein. Er schaltete das Licht nicht an, da ihm die versöhnliche Dunkelheit lieber war als die harsche Realität der Hotellampen, und ließ sich gegen die Wand sinken.
    Das hatte er von Finch nicht

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