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Das Gewicht des Himmels

Das Gewicht des Himmels

Titel: Das Gewicht des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Guzeman
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war zwei Jahre vor ihr nach Orion gekommen, war aber damals anscheinend genauso abgestumpft der Welt gegenüber gewesen wie sie selbst. Fünf Jahre nach ihrer Ankunft hatte er ihr die Geschichte der Tätowierung auf seinem Oberarm erzählt, ein Bogen mit brennendem Pfeil. Natalie war – wie jedes Frühjahr und jeden Herbst – im Urlaub gewesen, und er war betrunken und Selbstgespräche führend durch ihren Vorgarten gestolpert und in die Buchsbaumhecke gefallen. Sie hatte ihn um das Haus herumgeführt, eine Kanne Kaffee gekocht und ihn reden lassen. Nach und nach setzte sich die Geschichte vor ihren Augen zusammen. Deswegen war er nach Orion gekommen, sagte er. Sein bester Freund in der Armee war ein Junge aus Orion gewesen, der immer von seiner idyllischen Kindheit erzählt hatte. An Phinneaus geklammert war er gestorben, während sie beide auf die Sanitäter warteten – dieselben Sanitäter, die später Phinneaus’ Bein retteten. Der Freund hatte einen kleinen Bruder gehabt, einen der kleinen schmuddeligen Jungen in Phinneaus’ erster Pfadfindertruppe. Aber niemand wusste, dass er und dieser Mann zusammen im Krieg gewesen waren, und das war ihm ganz recht. Ich habe ihm versprochen, ich würde alles für ihn tun, hatte Phinneaus ihr an diesem Abend erzählt, aber nichts und niemand wird mich dazu bringen, seiner Mutter von seinen letzten Stunden auf Erden zu berichten. Pfeil und Bogen. Orion. Der Jäger. Das waren seine letzten Worte, bevor er die Augen schloss und auf dem Küchenboden einschlief. Er war fort, bevor Saisee am nächsten Morgen in die Küche kam, und die darauffolgenden zwei Wochen war er Alice aus dem Weg gegangen. Als sie sich wiedertrafen, warf er ihr einen Blick zu, der alles sagte und sie dazu brachte, nie einer Menschenseele von jenem Abend zu erzählen.
    »Als ich mitbekam, dass Sheila Frankie im Stich ließ, dachte ich, das halte ich nicht aus. Ich wollte sie hassen. Aber in dem Moment, als ich ihn sah, diesen dreijährigen Knirps, da merkte ich, dass er überhaupt keinen Hass in sich trug. Obwohl er seit seiner Geburt von einem Verwandten zum nächsten geschoben worden war. Er hasste seine Momma nicht. Ich weiß nicht, wieso, aber er hat sie nie gehasst. Und wenn er keinen Grund dazu hatte, warum sollte ich dann einen haben?«
    Phinneaus hatte sich verändert, seit Frankie vor fünf Jahren in sein Leben getreten war. Bis dahin war er ähnlich zurückhaltend gewesen wie Alice und hatte wie sie seine Nische am Rand der Gesellschaft von Orion gefunden. Sie gab den Kindern des Ortes Nachhilfe und schenkte ihnen eine Feder für jede richtige Antwort. Sie spähte aus dem Fenster, wenn Saisee an Halloween Süßigkeiten verteilte, und manchmal nickte sie den beaufsichtigenden Eltern auf dem Gehsteig zu. Sie spazierte frühmorgens oder abends nach Einbruch der Dämmerung um den Block, auf diese Weise konnte sie Begegnungen mit den Erwachsenen des Ortes so weit wie möglich vermeiden. Sie war das lebende Gespenst, das alle kannten und von dem nie jemand sprach, aus Rücksicht auf ihre Schwester. Phinneaus dagegen war … Phinneaus. Er war direkt und bescheiden und hatte keinen Bedarf nach Konversation mit Erwachsenen, bei den Kindern des Ortes war er jedoch ungemein beliebt. Er hatte nichts an sich, was man ablehnen konnte, darum ließen die Leute ihn einfach in Ruhe, so wie er es sich wünschte. Doch als Frankie kam, verwandelte er sich in einen Ersatzvater. Er grämte sich und prahlte, er lachte und schimpfte, er lehrte und lernte gleichzeitig. Er trat dem Elternausschuss in der Schule bei, wurde Footballtrainer für die Kleinsten und schmiss für Frankie Kindergeburtstage mit allen Schikanen. In gewisser Weise ließ Phinneaus Alice hinter sich zurück, und doch freute sie sich für ihn. Jetzt hatte er Frankie, um den er sich kümmern musste, und das führte sicher dazu, dass er sich weniger verpflichtet fühlen würde, auch für sie Verantwortung zu tragen.
    »Hast du meine Schwester aus einem bestimmten Grund angesprochen?«
    »Ich frage mich bloß, ob ich Natalie gehasst habe.«
    Er setzte ein weiteres X in das mittlere Kästchen der oberen Reihe, legte den Bleistift beiseite und nahm ihre Hand. »Ich kann mir vorstellen, dass du so empfunden hast.«
    »Ich dachte, jetzt, wo sie tot ist, könnte ich das Gefühl in etwas anderes verwandeln. Vielleicht in Mitleid. Aber es geht nicht.«
    »Gib dir ein bisschen Zeit. Am Ende überraschst du dich noch selbst.«
    Frankie war auf der Couch

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