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Das Gewicht des Himmels

Das Gewicht des Himmels

Titel: Das Gewicht des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Guzeman
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einfach aufhören.
    Aber da war noch Frankie, der da zu ihren Füßen saß und einen verängstigten Eindruck machte.
    »Dieses Festessen heute Abend. Was gibt es denn da Feines?«, fragte sie und strich ihm über den Kopf.
    »Ich darf nichts verraten. Das habe ich versprochen.«
    »Nun, in dem Fall will ich dich nicht dazu verleiten, dein Wort zu brechen.«
    Er rappelte sich auf, linkisch wie ein kleiner Junge eben war, und versprühte dabei eine fröhliche, unbekümmerte Vitalität. »Das muss ich gleich Phinneaus erzählen.« Er schaute noch einmal zu ihr hin, bevor er die Fliegengittertür öffnete. »Ich kann höchstens verraten, dass es was Kaltes gibt. Damit sag ich ja nicht zu viel.« Er blinzelte ihr zu, ganz zufrieden mit sich selbst, und knallte die Tür hinter sich zu. Dann hörte sie seine Füße die Treppe hinunterdonnern und über die Straße stolpern. Seine Geräusche verschwanden mit ihm und wurden wieder ein Teil der Außenwelt.
    »Saisee, Sie sollten uns Gesellschaft leisten.«
    »Ich packe ein paar von Miss Natalies Sachen zusammen, Miss Alice. Die können ja nich’ einfach weiter überall rumliegen. Und sie am Ende noch anlocken.«
    Alice schüttelte den Kopf. »Fangen Sie nicht auch noch an. Das glauben Sie doch selbst nicht. Natalie ist fort, und sie kommt nicht zurück, weder als Mensch noch als Geist. Verstanden?«
    »Mit meinen Ohren ist alles in Ordnung.« Saisee nahm den Wäschekorb und stolzierte aus dem Zimmer. Wie Fran kie blieb sie noch kurz im Türrahmen stehen und richtete das Wort an Alice. »Ich weiß, sie war Ihre Schwester. Ich weiß, es ist nich’ nett, böse über die Toten zu sprechen. Aber ich bin froh, dass sie weg ist. Sie können mich rauswerfen deswegen, aber ich meine es ernst. Ich bin froh, dass sie weg ist. Sie hat immer nur an Ihnen rumgenörgelt, hat Sie klein gehalten und Ihnen Angst gemacht. Ihre Schwester wollte nix lieber als Ihnen wehtun.« Damit drehte Saisee sich um und ging in die Küche.
    »Sagen Sie nichts gegen Natalie, Saisee.« Alices Ermahnung war nicht mehr als ein Flüstern, und die Haushälterin war ohnehin schon zu weit weg, um sie zu hören, aber Alice fühlte sich verpflichtet, ihre Schwester zu verteidigen, wenn auch nur dem leeren Zimmer gegenüber.
    Es wäre weniger schlimm gewesen, wenn Saisee Natalies Namen ausgesprochen hätte. Damit hätte sie Alice wenigstens eine kleine emotionale Distanz verschafft. Schwester war die Person aus Alices Kindheit. Natalie war die andere, diejenige, die vor vielen Jahren den Platz dieser Schwester eingenommen hatte. Alice wartete darauf, dass in Natalies Namen Empörung oder Zorn in ihr aufsteigen würden, aber da war nichts außer der traurigen Erkenntnis, dass Saisee recht hatte. Alice hört Natalies vertraute Stimme, die mit ihrem neu erworbenen Südstaaten-Singsang Gemeinheiten von sich gab: Gestern Abend habe ich Phinneaus beim Tanz gesehen. Ich wusste gar nicht, dass er seit Neuestem mit einer Rothaarigen ausgeht. Unglaublich, wie die sich bewegt hat! Ich hätte dazu unanständig gesagt, aber die Leute haben nicht mehr aufgehört zu applaudieren. Phinneaus braucht eine Ehefrau, jetzt, wo er die Verantwortung für das Kind hat. Eine, die genug Energie hat, um mit einem Dreijährigen fertigzuwerden, findest du nicht auch? Brauchst du dieses neue Kleid wirklich, du gehst doch niemals aus? Ich weiß nicht, ob wir uns das leisten können, wo wir doch die ganzen Ausgaben wegen deiner Medikamente haben.
    Es hatten sich kleine Risse in ihrer Beziehung aufgetan, besonders zu Anlässen wie Geburts- oder Feiertagen und wenn noch andere Menschen außer ihnen anwesend waren. Da wurde mehr erwartet als nur die üblichen Formen des Anstands. Aber es gab auch noch andere, unerklärliche Dinge. Vor Jahren hatte sie eines Nachts einfach keinen Schlaf gefunden. Der Gedanke an das, was sie verloren hatte, überwältigte sie ganz plötzlich, ohne Vorwarnung. Es hatte nicht am Datum gelegen oder an der Jahreszeit; es gab keinen besonderen Auslöser. Vielleicht war es die Stille, die das Trauma des Verlustes angezogen hatte, jedenfalls überkam es sie, als wäre es noch ganz frisch. Weinend krümmte sie sich und schluchzte so heftig, dass das Bett rhythmisch gegen die Wand schlug. Sie konnte ein fach nicht aufhören. Natalies Hand auf ihrer Schulter fühlte sich so fremd an, und der Kummer in ihrer Stimme wirkte so echt, als sie sagte: »Alice.« Verzweifelt fiel Alice ihr um den Hals. Natalie sagte wieder etwas, unterbrach

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