Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)
Dunkelrot hier und da. Sein Haar war nicht so lang wie das von Tahn, die Wellen lagen gerade so auf den Schultern. Im Inneren seines schwarzen Umhangs enthüllte der Schein des Feuers, wo er hinreichte, tiefstes Dunkelblau. Um den Hals trug der Mann eine kurze, enge Kette. Sie sah aus wie ein sehr schmales schwarzes Band, gewoben aus dünnen Streifen Holz oder Gras. Der Anhänger daran ruhte in der Halsgrube des Mannes: drei Ringe ineinander, die sich an einer Stelle trafen. Der Anhänger schimmerte ebenso dunkel wie die Kette. Doch die Augen des Mannes sagten am meisten über ihn aus: Sie waren klar, walnussbraun, von tiefen Fältchen umgeben, und ihr Ausdruck weckte in Tahn Besorgnis und Beruhigung zugleich. Der Fremde rührte sich nicht, sondern schaute prüfend auf Tahn herab, als könnte er mit einem Blick alles über ihn erfahren.
»Hat Euch jemand gebeten, sich an unserem Gespräch zu beteiligen, Fremder?«, warf Sutter ein. »Dass Ihr Euch ein Zimmer in Hambleys prächtigem Wirtshaus genommen habt, ist schön und gut, aber das gibt Euch noch lange nicht das Recht, Euch in die persönlichen Angelegenheiten seiner Freunde einzumischen.«
Der Mann sah Sutter mit starrem, hartem Blick an. Sutter ließ sich auf seinem Stuhl tiefer sinken, als wollte er sich verkriechen. Daraufhin wandte der Fremdling sich wieder Tahn zu. Er beugte sich vor und blickte forschend in Tahns Gesicht.
Nun meldete sich Hambley zu Wort. »Herr, er ist ein guter Junge. Und wir haben gerade über eine Familienangelegenheit gesprochen. Wirklich kein Grund für Zwistigkeiten. Bitte setzt Euch doch.« Er wies auf einen vierten Stuhl, der etwas näher am Feuer stand. Der Fremde musterte Tahn noch einen Moment lang eindringlich, ohne sich aufzurichten. Obwohl Tahn sitzen blieb, wusste er, dass der Mann größer sein musste als er. Aus der Öffnung seines Umhangs lugte vorn das Heft eines Dolches hervor, aber auf Tahn wirkte diese Waffe wie reine Zierde. Viel mehr als alles andere mahnten ihn die breiten Schultern und die steinerne Miene des Fremden zur Vorsicht.
Der Mann entließ Tahn endlich aus seinem starren Blick und nahm auf dem Stuhl Platz, den Hambley ihm angeboten hatte. Er drehte ihn herum, so dass er nun mit Tahn, Sutter und Hambley in einem geschlossenen Kreis saß.
»Hättet Ihr gern etwas zu essen oder ein Glas Bier?«, fragte Hambley.
»Nein, ich bin versorgt, und außerdem habe ich viel zu sa gen.« Er zog ein flaches hölzernes Kästchen aus den Falten seines Umhangs und entnahm ihm einen kleinen Zweig. Achtsam legte er ihn sich auf die Zunge. Tahn erhaschte einen Hauch von etwas wie Pfefferminzduft.
»Du bist Tahn Junell«, stellte der Mann fest. Dann schwieg er, als wartete er auf eine Erwiderung. Schließlich nickte Tahn. »Ich bin Vendanji.« Er streckte die Hand zum Gruß aus, und Tahn ergriff sie. Da drehte Vendanji ihrer beider Hände rasch herum und betrachtete das Mal auf Tahns Handrücken genau. Sein Griff wurde fester, so dass Tahns Finger schmerzten. Dann ließ er los, legte seine Hand wieder in den Schoß und blickte Tahn ins Gesicht.
»Seid Ihr zum Nordsonn-Fest hier?«, fragte Tahn.
Der Mann beantwortete seine Frage nicht. »Meine Sorge gilt dem Vorleser. Es sieht Ogea gar nicht ähnlich, zur Nacherzählung der Geschichten zu spät zu kommen. Die Sonne hat ihren Umlauf bereits vollendet und einen neuen begonnen.« Vendanji verfiel in Schweigen, als sähe er etwas, das Tahns Augen verborgen blieb. Etwas, so vermutete Tahn, an einem fernen Ort oder in einer anderen Zeit.
Sutter konnte nicht mehr an sich halten. »Der Vorleser braucht vielleicht unsere Hilfe. Sollten wir nicht eine Suchmannschaft aufstellen? Meistens kommt er über die Oststraße, glaube ich. Wir könnten uns noch in dieser Stunde auf den Weg machen.«
Hambley hatte aufgegessen. »Jetzt, da der Regen aufgehört hat, werden die größeren Tiere dort draußen auch nach einer Mahlzeit suchen, mein Junge. Es ist wohl besser, wir warten noch ein Weilchen auf Ogea.«
»Aber …«
»Er hat recht«, erklärte Vendanji. »Nach diesen Unwettern gleicht das Land einem riesigen Sumpf. Durch unbedachtes Handeln wird nur zu Schaden kommen, wer es allzu eilig hat.« Er sprach mit einer gewissen Autorität in der Stimme, als sei er es nicht gewohnt, dass man ihm widersprach. Sutters Kiefer spannte sich, als er sich offenbar eine Bemerkung verkniff.
»Isst du das noch, Tahn, oder soll ich es den Hunden geben?«, fragte Hambley und deutete dabei auf Tahns
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