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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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herum. »Und hierher kamen sie, Sodale. Hier trafen sie auf die Stilletreuen, hier wurde der Krieg des Ersten Eides entschieden. Baellors Armee war vier zu eins in der Unterzahl. Welle auf Welle strömten die Feinde in die Ebene. Baellor wusste, dass er nicht an mehreren Fronten kämpfen konnte, also befahl er seinen Truppen, sich zu einem Kreis zu formieren, der keine Flanke bot. Anfangs prallten auf der Ebene nur Stahl und Kraft aufeinander. Doch bald erhoben Velle die Hände zum Himmel und riefen schreckliche Flammen, Winde und Blitze auf Baellors Armee herab. Sie bezogen die gewaltige Lebenskraft aus der Welt, die sie besitzen wollten, aus der Erde, auf der ihre Feinde standen. Sie raubten dem Land alles Leben, alle Vitalität, Farben und Gerüche, sie saugten die Welt aus bis aufs Mark und ließen eine öde Wüste zurück.« Vendanji sah sich um. »Doch die Sheson weigerten sich, das Land oder andere Menschen zu berauben, um den Willen zu lenken, also erschöpften sie ihre eigene Forda erschreckend schnell. Es gibt Aufzeichnungen über Sheson, die sich bis zum Letzten hingaben, bis ihr Lebensfunke erlosch. Die Schlacht tobte acht Tage lang. Die Stilletreuen suchten eine Bresche in Baellors Linie zu schlagen. Die Armee des Ersten Eides kämpfte in diesem gewaltigen Ring ihre letzte Schlacht. Ein Entkommen konnte es nicht geben, und während ihre Kräfte sich erschöpften, schrumpfte Baellors schützender Kreis immer weiter. Da sammelte Maral Praig, der Erste Diener, seine Gefährten in der Mitte des großen Rings. Während der Rest von Baellors Ar mee den Kreis verteidigte, bildeten die Sheson eine Kette, indem sie einander bei den Händen fassten. Wie zum Gebet neigten die Sheson die Köpfe, und Praig stieß einen herzzerreißenden Schrei aus, der das ganze Land erfüllte, welches wir heute als das Mal kennen. Ein Licht so machtvoll wie tausend Sonnen flammte auf, und mit ihm fiel ein jeder, der die Gabe besaß, den Willen zu lenken, Sheson und Velle, bis zum letzten Mann. Binnen drei Tagen zogen sich die überlebenden Stilletreuen zurück. Und über das verdorrte, staubige Land war Blut vergossen wie von einem unachtsamen Künstler. Zehntausend Männer standen noch, als die Quietus-Treuen im Norden verschwanden.« Vendanji wies mit ausgestrecktem Arm auf den weiten Horizont. »Hier war die Luft erfüllt vom Gestank des Todes, und die Gestalten der Sheson in ihren langen, dunklen Gewändern bildeten einen reglosen Haufen, wie ein Opfersegen für die Schlacht auf dem Mal.« Vendanji ließ den Blick von links nach rechts schweifen und wandte sich schließlich wieder Braethen zu. »Das Mal ist eine hässliche Narbe, Soda le, doch sie erinnert uns an den Preis der Freiheit.«
    Braethen schaute in die öde Landschaft. Unter dem Duft von trockenem Salbei und Gras hing ein Geruch wie nach Erde aus einem Höhlengrab. Doch da war noch etwas. Seit sie das Mal betreten hatten, war das Wesen von Licht und Bewegung ein anderes, mühsameres. Das Land war von Lethargie durchdrungen wie der Geist eines gebrochenen Mannes. Und während die Sonne über der riesigen, lebensfeindlichen Wüste aufging, wurde sie erstickend heiß.
    Braethen spürte, dass der Sheson mit seiner Erzählung fertig war, und fragte: »Das ist so lange her, und noch immer wächst hier kaum etwas?«
    Vendanji atmete tief die trockene Luft ein. »Manche haben versucht, im Mal Feldfrüchte anzubauen. Alle haben aufgegeben. Es fehlt die Forsa, die vor so langer Zeit in die Körper der Stilletreuen gesogen wurde, um ihre Lebenskraft zu stärken. Das hat dieses Land gezeichnet. Das Mal ist das, was brutale Gedanken und Taten hinterlassen haben wie eine Mahnung. Aus diesem Land wird kein Versprechen auf Leben hervorgehen, wie es dem Rest der Welt innewohnt.«
    »Ein Versprechen, das die meisten vergessen haben, die darauf herumtrampeln«, bemerkte Mira. Ihre Lautstärke sagte Braethen, dass sie verstanden werden, sich aber nicht an der Unterhaltung beteiligen wollte.
    Braethen fasste Vendanjis Schweigen als Zustimmung auf.
    »Wenn das Land nicht geheilt oder verändert werden kann«, fragte Braethen, »weshalb reiten wir dann mitten hinein?«
    Vendanji sah ihn an und stellte eine Gegenfrage. »Deine Bücher, Sodale – hierauf haben sie dich nicht vorbereitet, nicht wahr?«
    Braethen betrachtete die kahle Landschaft. »Nein«, antwortete er schließlich. »Sie haben mich nicht darauf vorbereitet, in welch ungeheurem Umfang jene, die den Willen lenken, alles Leben

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