Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)
kleine Kunststücke vorführen lassen.«
»Kunststücke?«, fragte Alisandra argwöhnisch und ließ Tahn und Sutter heraus.
»Nicht so tolle wie in euren größeren Zelten, aber ich habe der Bestie den Rest deines Geldes gegeben und werde ihr befehlen, es dir zu bringen.«
Alisandra griff nach ihrem Dolch.
»Den brauchst du nicht«, sagte Tahn. »Dieses Geschöpf will gehorchen. Mit einem freundlichen Wort und einer Extraschüssel zur Fütterungszeit gewinnst du leicht sein Vertrauen. Stell dir nur vor, wie viel Geld du mit ihm machen könntest, wenn du Leute zu dem Käfig führst und sie dann zu ihm hineingehen und seine seltsame Haut streicheln lässt. Du könntest ihm ein paar kleine Kunststückchen beibringen. Dieses Geschöpf zu beherrschen würde dich reich machen.« Bei seinen letzten Worten beugte Tahn sich verschwörerisch vor.
Alisandras Augen glitzerten bei dieser Aussicht. Sie muster te den Lul’Masi, und die Gier stand ihr ins Gesicht geschrieben. Dann wich der Ausdruck wieder der vorigen, argwöhnischen Miene. »Was hast du dabei zu gewinnen? Warum erzählst du mir das? Willst du dich etwa in die Tenendra einkaufen?«
Sutter lachte, und Alisandra runzelte die Stirn. »Keine Aufnahme«, sagte Tahn. »Einen Kuss.«
Die Bitte überraschte die junge Frau. Unwillkürlich zog sie den Kopf zurück, doch schon zupfte ein Grinsen an ihrem Mundwinkel.
»Die Bestie bedeutet mir nichts, und auf ein Vermögen bin ich auch nicht aus«, fuhr Tahn in vertraulichem Tonfall fort. »Mein Freund ist geheilt, also habe ich alles, was ich wollte … beinahe.«
»Beinahe?« Alisandras schönes, gefährliches Lächeln war wieder da.
»Ich will einen Kuss von dir, ohne Bezahlung. Dann kann ich mit der Erinnerung an deine Gunst davonspazieren und habe meinen Geldbeutel nicht allzu sehr erleichtert. Die Erinnerung wird mich in kalten Nächten wärmen.«
Sutter hinter ihm lachte erneut, doch Alisandra beäugte Tahn anerkennend.
»Schön, mein Junge«, sagte Alisandra. »Du bekommst deinen Kuss, aber damit sind alle Ansprüche, die du erheben könntest, abgegolten.« Sie beugte sich zu ihm vor. »Und du wirst diese Information mitnehmen, wenn du Quim verlässt. Sollte jemand anders plötzlich vom sanften Wesen dieser Bestie wissen, mache ich dich ausfindig und zeige dir dein Grab.«
Tahn schüttelte den Kopf und schürzte albern die Lippen. Alisandra küsste ihn, und Tahns Kussmund schmolz unter der Hitze ihrer Lippen. Mehrere Augenblicke lang strich sie mit den Lippen über seine und schien den Kuss sogar zu genießen, glaubte er. Das Gefühl ihrer weichen Lippen, ihr Geschmack, ihre gefährliche, rätselhafte Ausstrahlung, ihre Schönheit, all das schoss durch Tahns Körper. Es diente seiner List und seiner erwachenden Begierde – und beides zusammen bewirkte einen Kuss, den er niemals vergessen würde. Alisandra gab einen leisen, beinahe willfährigen Laut von sich, ehe sie zurückwich. Tahn stand mit offenem Mund da, als sie die Bestie heranrief.
Der Lul’Masi bewegte sich geduckt und vorsichtig, doch er gehorchte ihrem Ruf.
Tahn sah Alisandra an, dass sie ihm seine Geschichte abgekauft hatte. Ihre Augen leuchteten wie die eines Kindes, das auf versprochene Geschenke wartet. Zögerlich kam Col’Wrent bis auf Armeslänge an sie heran. Er wandte den Blick ab, als wagte er es nicht, sie anzusehen, während er ihr die Hand mit den Münzen hinstreckte. Seine Finger zitterten, als das Mädchen in den Käfig griff, um sich das Geld zu holen. Sie war sich ihrer Sache so sicher, dass sie keine Eile hatte und arrogant eine Münze nach der anderen einsammelte.
Blitzschnell packte der Lul’Masi Alisandra am Handgelenk, so fest, dass er die Blutzufuhr zu ihrer Hand abdrückte. Er riss die junge Frau zu sich ans Gitter und schlang die mächtigen Arme um ihren Leib. Dann drückte er zu, bis ihr Gesicht so rot anlief wie Sommeräpfel. Sie bekam keine Luft, und ehe sie einen einzigen Schrei ausstoßen konnte, glitt sie schlaff zu Boden.
Tahn ging neben ihr in die Hocke und prüfte, ob sie noch atmete. Sie war am Leben, nur bewusstlos.
»Wir sollten uns beeilen«, lallte Sutter, noch ein wenig schwindelig. »Wenn die herausfinden, was wir getan haben, sind wir hier nicht sicher.«
Tahn stand auf und wandte sich dem Lul’Masi zu, der über ihm aufragte. »Ich danke dir.«
»Ich stehe in deiner Schuld«, entgegnete Col’Wrent. »Geht jetzt. Dein Freund hat recht. Ich werde die anderen befreien.«
Tahn und Sutter rannten
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