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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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hinunter, der langsam gen Süden strömte, und sie ließen ihre Pferde daraus trinken. Die orangerote Sonne spiegelte sich auf der glänzenden Oberfläche. Flusslibellen und andere Insekten schossen über das ruhige Wasser. Fische, die nach ihnen schnappten, kräuselten hin und wieder die glatte Fläche. Das Flussbett sank vom Ufer aus ganz allmählich ab, und das flache Wasser war so klar, dass man Sand und Steine auf dem Grund sehen konnte.
    Tahn schaute erleichtert auf den Fluss hinaus. Endlich einmal hatten sie Glück – Flüsse bedeuteten Nahrung und Wasser, und sie kreuzten immer irgendwo eine Straße, wenn man ihnen lang genug folgte.
    »Siehst du«, sagte er. »Du brauchst dich nur an mich zu halten.« Er holte tief Luft, warf sich mit geschwellter Brust heldenhaft in Pose und reckte das Kinn dem aufgehenden Mond entgegen.
    Sutter erwischte ihn genau in diesem Augenblick und stieß ihn ins Wasser, ehe Tahn sich abfangen konnte. Das eiskalte Wasser tat beinahe weh, aber das Gefühl war nicht wirklich unangenehm.
    Tahns Füße fanden den Grund des Flusses, und er fuhr zu seinem Freund herum. »Du kannst mich auf dem falschen Fuß erwischen, Rübenbauer, aber du bekommst auch gleich dein Flusswasser ab.«
    »Nutze lieber die Gelegenheit für ein Bad«, erwiderte Sutter lachend. »Ich pflücke dir auch ein paar Pfefferminzblätter, mit denen kannst du deine zarte Haut parfümieren.«
    Tahn stürzte sich auf ihn.
    »Nicht doch, Eichhörnchen, wenn man mal nass wird, muss man das eben ertragen wie ein Mann.« Sutter lachte bellend und ließ zu, dass Tahn ihn um die Hüfte packte und vom Boden hochhob. »Das wird dir auch nicht helfen«, prustete Sutter lachend. »Meine zarten weißen Schultern bekommst du nicht zu sehen.«
    Lachend zerrte Tahn Sutter ins tiefere Wasser, und sie gingen beide darin unter. Tahn ließ los, genoss das kalte Wasser an seinem verletzten Fuß und trieb langsam wieder der Oberfläche entgegen. Er hörte Sutter heranplatschen, zweifellos um ihren kleinen Ringkampf fortzusetzen. Als er gerade auftauchen wollte, packte eine Hand ihn im Nacken und drückte seinen Kopf tiefer ins Wasser.
    Tahn lächelte über die wilden, unermüdlichen Späßchen seines Freundes. Den gleichen Streich hatten sie einander schon unzählige Male am Ufer des Hober gespielt. Er wartete einen Moment lang ab und überlegte, ob er sich wehren oder einfach nichts tun sollte, bis Sutter ihn losließ, damit sie sich weiter balgen konnten. Die Hand ließ aber nicht locker, sondern packte fester zu. Die Finger pressten sich schmerzhaft in Tahns Genick und drückten ihn noch tiefer hinunter.
    Eine finstere Gewissheit überkam ihn. Das war nicht die Hand seines Freundes.

36
    STAUB AUF DEN PLANKEN
    A m Tag nach dem Brand auf dem Flussschiff ritten Jastail und Wendra langsam gen Norden. Zwei Stunden nach Mittag bog Jastail in östlicher Richtung von der Straße ab. Flaches Land erstreckte sich weit vor ihnen, hier und da von sanft gewellten Hügeln unterbrochen. Wendra bemerkte Karrenspuren im Sand, obgleich sie keiner erkennbaren Straße folgten. Jastail führte sie eine weitere Stunde lang querfeldein, bis sie über eine Anhöhe ritten und Wendra auf eine kleine Ortschaft hinunterschaute, die nicht einmal richtige Straßen hatte. Ein ungutes Gefühl überkam sie, als Jastail ihr Pferd langsam nach Galadell hinablenkte.
    Jeder Mann und jede Frau nahm Notiz von ihnen, als sie dort eintrafen. Einige nickten Jastail zu, doch es wurden keine Begrüßungen gewechselt. Er erwiderte das Nicken mit einer Andeutung von Überlegenheit. Irgendetwas an diesem Ort störte Wendra. Er fühlte sich provisorisch an, als könnten die Leute ihn jeden Augenblick aufgeben. Sie spürte keinerlei Gemeinschaft oder Tradition in diesem Dorf.
    Dann erkannte sie, was sie so verstörte.
    Das Schweigen.
    Keine Händler priesen ihre Waren an, keine Männer verhandelten über Preise, die Frauen schimpften nicht mit ihren Männern, und die wenigen Kinder, die sie sah, fegten Böden oder schleppten Dinge herum. Dieser Ort war völlig anders als die lebhaften Dörfer, durch die sie in den letzten Wochen gereist war. Dort flogen scherzhafte Beleidigungen hin und her, die Leute tauschten sich über Reiserouten aus oder feilschten um angeblich zu teure Ware, während Kinder lärmend ihren Eltern im Weg herumrannten. Hier gab es nichts von alledem. Der Ort fühlte sich nicht an wie ein Dorf, sondern wie ein Treffpunkt verschiedenster Menschen, die irgendwelchen

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