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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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weiterschlafen und machte sich auf die Suche nach einem Fenster gen Osten. Um die Ecke stieß er auf eine Treppe, die durch tiefe Schatten nach oben führte. Spinnennetze hingen zwischen den Pfosten des verstaubten Geländers. Tahn stieg vorsichtig die Treppe hoch, Stockwerk um Stockwerk, bis er nach dem sechsten Treppenabsatz draußen auf dem Dach herauskam.
    Von hier aus konnte er die Schönheit der verborgenen Stadt erkennen. Ihre Silhouette hob sich vor den Felswänden ab, und Dächer und Straßen schimmerten leicht im Mondlicht.
    Tahn wandte sich nach Osten und begann, sich die Namen der Sterne vorzusagen. Er kannte sie alle, wie gute Freunde, denn er traf sie jeden Morgen. Er konnte sich nicht erinnern, dass er jemals nicht aufgestanden wäre, um sie zu sehen. Das war immer eine stille, friedliche Zeit. Keine Stimmen drängten sich in das Schweigen, und seine Gedanken bekamen freien Lauf, ohne Interpretation, ohne Widerstand.
    Tahn erinnerte sich daran, wie er mit Balatin und Wendra auf der Treppe vor dem Haus gesessen und zu beschreiben versucht hatte, wie weit der Himmel reichte. Bald wurden die Spekulationen so absurd und umständlich, dass sie alle lachten und sich lieber den Glühwürmchen und dem Singen widmeten. Doch in manchen Augenblicken, dachte Tahn, konnte er diesen fernsten Punkt beinahe erfassen, beinahe sehen. Er schlang in einer sanften Brise, die von den Felsenklippen herabwehte, die Arme um sich und dachte unwillkürlich an den Sonnenaufgang.
    Der Gedanke überraschte ihn, und er unterdrückte ihn zu nächst, weil er sich danach sehnte, noch ein wenig in die kal ten, stummen Sterne zu schauen und nachzudenken. Ihr zartes Funkeln weckte auf einmal Hoffnung in ihm. Er blickte erneut in den Himmel und öffnete den Mund, um zu sprechen, doch im selben Moment waren die Worte wieder verschwunden. Er schloss die Augen und sah abermals die Sonne vor sich, die majestätisch am östlichen Himmel emporstieg, während ihr allmählich erstarkendes Licht ein schlichtes, belebendes Versprechen gab.
    Einen Moment lang standen ihm beide Bilder zugleich vor seinem inneren Auge, Nacht und Tag, und Tahn glaubte, einen Widerhall des Lachens aus seinem Traum zu hören.
    Entsetzt riss er die Augen auf und sah, dass der Himmel am östlichen Rand des Kraters heller wurde. Erleichtert atmete er auf. Er begrüßte das Morgengrauen mit einem Nicken und stieg die Treppen wieder hinunter.
    Als Tahn den Raum im Erdgeschoss betrat, wachte der Rübenbauer auf. »Hast du etwas zu essen gefunden?«, fragte er mit einem säuerlichen, müden Lächeln.
    »Ich habe angenommen, du würdest uns auf dem Friedhof ein paar Wurzeln ausgraben«, entgegnete Tahn. »Sollen die Pflanzen dort nicht besonders gut schmecken, dank des menschlichen Düngers?«
    Sutter lächelte. »Nein, das ist um den Abort, Eichhörnchen. Grabwurzeln sind nicht knackig, sie sind … fleischig.«
    Tahn musste lachen. »Sehen wir zu, dass wir weiterkommen.«
    Im ersten wässrigen Dämmerlicht traten sie auf die Straße hinaus. Der Hufschlag ihrer Pferde auf dem harten Pflaster hallte laut durch die morgendliche Stille.
    »Guten Tag, meine Herren«, empfing sie eine Stimme vor dem Haus.
    Sutter zog ungeschickt das Schwert und versuchte zugleich, den Besitzer der Stimme ausfindig zu machen.
    Tahn legte einen Pfeil an die Sehne, spannte und führte den Bogen einmal im Kreis herum, indem er sich in der Hüfte verdrehte. Er sah niemanden.
    »Das ist nicht nötig«, sagte die Stimme. »Wenn ich Euch töten wollte, wärt Ihr bereits tot.« Ein Mann trat zwischen zwei Gebäuden hervor. »Darf ich fragen, was Euch nach Steinsberg führt?«
    Tahn überlegte gerade, was er antworten sollte, als ihm das juwelenbesetzte Futteral eines langen Säbels an der Hüfte des Mannes auffiel. Der Kerl trug eine Hose und ein Wams aus fein gebürstetem Leder mit einem bestickten Gürtel in verschiedenen Rottönen. Goldene Litzen zierten den Kragen und die Manschetten seines weiten weißen Hemdes. Der keck geneigte Dreispitz auf seinem Kopf war ebenfalls mit Goldfäden bestickt. Sein Umhang – kurz und sehr weit – war hellrot und vermittelte Tahn den Eindruck, dass dem Mann mehr an Mode denn an Wärme gelegen war.
    »Nun also«, beharrte der Mann, »hört auf, so argwöhnisch meine Klinge zu beäugen, und beantwortet meine Frage.« Er sprach mit heiterer Miene, als redete er von ganz unbedeutenden Dingen und machte charmante Konversation.
    »Ich weiß, dass ihr den Lesule auf der

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