Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)
es angreifen.
»Ehe du mir mit irgendetwas anderem kommst, möchte ich dir erklären, was das Beste für dich ist«, sagte der Wegelagerer. »Du hast nämlich nicht viele Möglichkeiten. Meine Männer hier würden sich ohne Weiteres mit dir vergnügen und dich dann den Fischen im Fluss überlassen. Diese Burschen sind nicht zimperlich, gute Frau, vergiss das lieber nicht, wenn du wieder zu Atem gekommen bist und zornig wirst.«
Seine Gefährten lächelten über diese Worte, doch der Räuber hatte auch für sie wenig übrig und bedachte sie mit einem gleichgültigen Blick.
Die Frau japste nach Luft, das Gesicht vor Schmerz und Grauen verzerrt.
»Ich hingegen würde dir diese Erniedrigung ersparen, da ich mir nicht vorstellen kann, Vergnügen an einer Frau zu finden, die es nicht freiwillig teilt.« Der Räuber lächelte aufrichtig, entdeckte dann jedoch einen höhnischen Zug um den Mund der Frau. »Als Gegenleistung für meinen Schutz wirst du uns widerstandslos begleiten und keinen Lärm machen. Denn ansonsten müsstest du darauf setzen, dass unser Ziel schlimmer sein wird als ein frühes Grab. Und da stehen die Chancen doch schlecht.«
Die Frau erhob sich ruhig und bedächtig, und die Missachtung stand ihr wie auf die Stirn geschrieben. »Weil mein Kleid ein wenig abgetragen ist, glaubst du wohl, meine Tugend bedeute mir weniger als mein Leben? Das also sind die Ansichten von Straßenräubern?«
Der Räuber lachte, aber leise.
Sie fuhr unbeeindruckt fort: »Ein Mann, der einen solchen Vorschlag macht, ist so wenig vertrauenswürdig, dass sein Wort nichts wert ist.« Sie spuckte ihn an. »Nun, dann töte mich. Beweise deinen Edelmut, indem du mich vor den gieri gen Fingern deiner Freunde bewahrst.«
»Ach«, sagte einer seiner Gefährten. »Wenn wir sie nicht mitnehmen, können wir sie auch gleich hier haben, und dann noch alles, was auf dem Wagen ist.« Der Mann deutete zu dem Lagerplatz der Frau hinüber.
Der Räuber sah sie fragend an. »Deinen Einsatz, Verehrteste. Was ist dir deine Tugend heute wert?«
Sie starrten einander einige Augenblicke lang an. Die Jahre mühseligen Reisens hatten ihr Rückgrat verliehen, das musste er zugeben. Deshalb freute es ihn umso mehr, dass er auf sie gestoßen war – die Straße machte einem solche Geschenke, wenn man ihr lange genug treu blieb.
Dann entdeckte er einen kaum merklichen Riss in der Mau er ihrer Entschlossenheit. Es war nur ein kurzes Flackern in ihren Augen, als sie zweifellos die Szene vor sich sah, die sich an diesem friedlichen Flussufer in der frühen Abendsonne abspielen könnte. Er hatte gewonnen. Doch im nächsten Moment drang ein Schrei aus ihrer Kehle – ein Hilfeschrei, der die einsame Stille zerriss, Vögel aufflattern ließ und lang gezogene Echos über die Wasseroberfläche schickte.
Ein Name. Sie schrie einen Namen.
Er hatte doch gewusst, dass sie nicht allein war.
Ehe seine Männer sie niederringen konnten, polterten die schweren Schritte eines Retters in ihre Richtung.
Der Räuber wies mit einem Nicken auf die Frau und ging zwischen seiner Gefangenen und den hastigen Schritten in Stellung. Mit einer Hand am Heft seines Schwertes blieb er so reglos stehen wie eine Statue, bis ein Mann mit besorgtem Gesicht in vollem Lauf zwischen den Bäumen hervorkam. Der Mann zog zwei Messer. Selbst aus dieser Entfernung sah der Räuber sofort, dass das keine Waffen waren, sondern Werkzeuge. Tödlich mochten sie dennoch sein, und der Mann beherrschte sein Handwerk vermutlich gut. Aber er war kein Kämpfer, keine echte Bedrohung.
Er hoffte, dass er ihn nicht würde töten müssen.
Die Frau warf sich hinter dem Räuber zu Boden, entwand sich immer wieder seinen Gefährten und schrie in die länger werdenden Schatten hinein. Sie trat um sich und bäumte sich auf, bis die Männer sich schließlich auf sie warfen und ihre wild schlagenden Arme unter sich begruben.
Als der störende Held nah genug herangekommen war, zog der Räuber sein Schwert, sank geschmeidig auf ein Knie und drückte der Frau die Klinge an den Hals. »Keinen Schritt weiter.«
Der andere kam rutschend zum Stehen. »Lasst sie in Frieden! Sie hat euch nichts getan.«
»Das kannst du gar nicht so genau wissen, oder?«, erwiderte der Räuber, der sich zumindest ein wenig amüsieren wollte.
»Doch, sehr wohl. Sie ist kein angriffslustiger Mensch und auch kein Dieb .« Der Mann sprach die Beleidigung langsam und deutlich aus.
»Hmmm. Schön, dann kommen wir eben zur Sache. Ich habe
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