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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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des Willens, und sei es zum Wohl anderer Menschen, mit dem Tode bestraft wurden. Die Liga behauptete, das Werk der Sheson sei archaischer Aberglaube, vergleichbar mit den finsteren Gaben, die in den alten Geschichten Kreaturen aus dem Born zugeschrieben wurden.
    Langsam ließ Ogea den Blick wieder auf die Menge sinken. Er reckte die Schriftrolle in die Höhe. Der Wind zerrte an den Rändern und drohte das Siegel aufzureißen. Da packte Ogea die rote Wachsfläche mit knochigen Händen und brach sie entzwei. Das leise Knacken machte Braethen schaudern, und er murmelte leise, damit ihn niemand hören konnte: »Ist ein Siegel erst erbrochen …«
    Ogea entrollte das Pergament und hielt es zur Seite ausgestreckt. Ohne hineinzuschauen, begann er wieder zu sprechen, und eine stille Demut lag in seiner Stimme.
    »Liebe Freunde, ich habe heute zum letzten Mal vorgelesen. Nordsonn ist einmal mehr gekommen, und wir sind dankbar für das neue Licht. Noch haben wir Hoffnung, doch es wäre naiv, untätig herumzusitzen. Eine stille Finsternis breitet sich aus. Wenn sich ihre Zersetzung weit genug verteilt hat, wird die Macht des Allwillens die Stille nicht mehr bannen können. Forda I’Forsa, Körper und Geist, Erde und Himmel … werden untergehen. Dann wird die Preisgabe der Großen Väter ganz und gar endgültig … Dann werden wir bewiesen haben, dass unser Gedeihen nichts bedeutete, dass wir nicht innig genug danach gestrebt haben, nicht stark und mutig genug waren, selbst wahre Größe zu erlangen.«
    Ogea fiel auf die Knie. Er hielt sich das Pergament vors Gesicht und nickte. Dann stieg er wieder auf die Leiter und begann hinabzuklettern. Schon auf der vierten Sprosse rutschte er ab, die Schriftrolle fiel ihm aus der Hand und wurde vom Wind fortgewirbelt, der um die Mauern der Feldstein-Taverne fegte. Der alte Mann baumelte noch einen Moment lang in der Luft, dann verlor auch die zweite Hand den Halt. Er fiel rücklings von der Leiter, und Braethen schien es, als dauerte sein Sturz unnatürlich lange. Dann schlug er im Matsch auf und stieß ein ersticktes Wimmern aus. Braethen drängte sich durch Hunderte Menschen bis an Ogeas Seite. Er drehte seinen Freund vorsichtig um und legte ihm eine Hand auf die Brust, um festzustellen, ob er noch atmete.
    Plötzlich spürte Braethen einen bohrenden Blick. Die Menge rückte langsam wieder zusammen, doch um ihn herum waren nur Leute aus dem Helligtal. Er drehte sich nach der Rückseite der Taverne um und entdeckte einen großen, dunkelhaarigen Mann, dessen Miene Kummer und Entschlossenheit ausdrückte. Braethen wurde eiskalt ums Herz, als er das Abzeichen am Hals des Mannes sah. Drei Ringe: ein Sheson.

4
    GEFÄHRLICHE STRASSEN
    D ie Frau kniete am Flussufer und wusch sich Gesicht, Hände und Arme.
    Der Wegelagerer beobachtete sie, hinter einer Buscheiche verborgen.
    Die Bäume warfen fleckige Schatten auf das langsam strömende Wasser, die Binsen und die Frau, die noch immer nicht bemerkt hatte, dass sie nicht allein war. Das leise Plätschern des Flüsschens übertönte seine langsamen Schritte. Seine Gefährten lauerten bereits an sorgsam gewählten Positionen flussabwärts und am anderen Ufer für den Fall, dass sie zu fliehen versuchte.
    Das Pferdegespann vor dem Wagen, der hundert Schritt weiter südlich stand, hatte sie gewiss nicht allein gelenkt. Ein Mann war also irgendwo in der Nähe.
    Er würde zu spät kommen.
    Sie hätte es wirklich besser wissen müssen. Auf dem offenen Land zwischen den großen Städten voller Menschen – mit ihren Garnisonen und hohen Stadtmauern – gehörte die Welt demjenigen, der ein Risiko auf sich nahm. Dem Mann, der aufs Ganze ging und sein Glück zu nutzen verstand. Der die offene Straße und den Himmel darüber zu seinem Heim und seinem Dach machte. Wer durch diese leeren Landstriche reiste, erhielt nicht mehr Vorwarnung als ein kurzes Blitzen im Wasser, während er sich gerade den Staub des Tages aus den Falten um Augen und Mund spülte … in dem Moment, ehe er zu schreien versuchte.
    Die Frau stand plötzlich auf und wirbelte herum. Sie öffnete den Mund.
    Der Räuber trat ihr mit dem schweren Stiefel in den Bauch, um ihr den Atem zu rauben, ehe sie um Hilfe rufen konnte. Sie fiel auf ein Knie und starrte mit diesem überraschten, flehenden Blick zu ihm auf, den er inzwischen so leid war.
    Ich will endlich einmal echte Wut sehen!
    Seine Gefährten rückten vorsichtig näher heran. Wenn man ein verängstigtes Tier in die Ecke trieb, würde

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