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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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verächtlich.
    Der Vogel sank herab, genau auf sie zu. Tahn hob einen Stein auf, um ihn zu vertreiben, aber Mira legte eine zarte Hand auf seine und senkte seinen Arm. Er erschauerte bei ihrer Berührung, war aber auch etwas verwirrt. Da hob sie den anderen Arm, und der Rabe landete darauf und krächzte laut ins Halbdunkel.
    »Besitzt ihr auch die Gabe, Tiere zu zähmen, und ich habe nur noch nie davon gehört?« Tahn musste lachen, als der Vogel sich hüpfend umdrehte, um ihn anzusehen.
    Mira schüttelte den Kopf. »Das ist eine Botschaft von zu Hause.«
    »Aber er trägt nichts an den Beinen.« Tahn beugte sich vor, um sich zu vergewissern, ob er nicht doch eine Nachricht übersehen hatte.
    »Der Vogel selbst mit seinen dunklen Federn ist Bote und Botschaft zugleich.« Miras Augen nahmen einen neuen Ausdruck an – nicht der rasche, musternde Blick und auch nicht der weichere, friedliche, den Tahn eben gesehen hatte. Jetzt drückten sie Trauer aus und eine Ahnung von den schweren Entscheidungen, die ihr oft nachfolgen.
    »Was bedeutet er denn?«
    »Meine Schwester, die Königin der Fern, ist aus diesem Leben geschieden. Was bedeutet, dass ich jetzt eine Entscheidung zu treffen habe. Möglicherweise musst du das letzte Stück dieses Weges ohne mich gehen.« Ein neues Gewicht lag in ihrer Stimme, eine Last, als betrauere sie mehr als ihre tote Schwester. Mira warf den Vogel wieder in die Luft und wandte sich ab, und Tahn blieb allein zurück und sah dem Raben nach, der nach Nordosten davonflatterte.
    Die nächtliche Stadt Bollorg erinnerte Braethen an Geschichten über die ersten Jahre nach dem Krieg. Der Sheson führte ihn an Lagerfeuern vorbei, die an Straßenecken brannten, und durch Gassen voller Wagen und Karren, auf denen Mütter ihre Kinder fest an sich drückten, um sie warm zu halten. Der Gestank nach Abfall aller Art war dick und klebrig. Braethen nahm an, dass Vendanji diesen Weg durch Seitenstraßen und Gassen wählte, um möglichst unentdeckt zu bleiben – oder um die Geschichten in Braethens Kopf um etwas Wirklichkeit zu ergänzen.
    Der Sheson sprach kein Wort, bis sie eine ganz gewöhnliche Haustür in einem der äußeren Stadtviertel erreichten. Auch dieses Haus stand in einer abgelegenen Seitenstraße. »Binde dein Pferd hier an und bleib dicht hinter mir.« Braethen gehorchte und betrat gleich darauf das Haus.
    Der Sheson zündete eine Lampe an und ging zu dem einzigen Fenster des kleinen Raums. Er öffnete die Läden und stellte die Laterne aufs Fensterbrett. Dann setzte er sich und wies auf einen weiteren Stuhl für Braethen.
    Schweigend blieben sie so lange sitzen, bis Braethen den ganzen Zyklus des Eides rezitiert hatte. Stumm sagte er sich die Verse vor. Da betrat ein dritter Mann den Raum, schloss die Fensterläden und nahm die Lampe. Er ging direkt auf Vendanji zu, und die beiden reichten sich die Hände. Dabei schlang einer den kleinen Finger um den des anderen – ein geheimnisvolles Zeichen, dessen Bedeutung Braethen nicht erraten konnte.
    »Hier entlang«, sagte der Fremde.
    Sie gingen zu einer verschlossenen Tür, und der Mann gebrauchte drei verschiedene Schlüssel, um die drei Schlösser zu öffnen. Als sie im tiefsten Inneren des Gebäudes ankamen, wo es keine Fenster gab, wandte er sich um und öffnete seinen Umhang. Nun sah Braethen das Emblem der Sodalen am Hals des Mannes.
    »Braethen, das ist Edias Faledriel, der Sodale von Bollorg.« Vendanji begrüßte den Mann mit einem Nicken.
    »Schön, dich kennen zu lernen«, sagte Braethen.
    Edias wollte auch Braethen mit dem geheimen Händedruck begrüßen, doch die Finger des Möchtegern-Sodalen tasteten ungeschickt herum und verrieten ihn. Edias sah Vendanji fragend an.
    »Gleich«, sagte der Sheson. »Zunächst einmal – wo ist Palonas? Ich hatte erwartet, dass du ihn mitbringen würdest.«
    Edias’ Blick nahm einen traurigen, bekümmerten Ausdruck an. »Er wurde vor drei Tagen hingerichtet. Die Liga der Edukation hat hier ein starkes Kontingent aufgestellt.«
    »Wofür …«
    »Ich habe noch schlimmere Neuigkeiten«, unterbrach ihn Edias. »Palonas war der Letzte.«
    Vendanjis Blick verfinsterte sich. »Erzähl mir alles!«
    »Zur letzten Erntezeit waren es noch vier. Aber in dem halben Umlauf seither haben hier schlimme Krankheiten gewütet. Karun, Celenti und Sahlieda wurden beschuldigt, Kranken oder Sterbenden durch den Allwillen geholfen zu haben. Die Strafe wurde ohne Verhandlung vollstreckt.« Edias trat an die Wand des

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