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Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition)

Titel: Das Gewölbe des Himmels 1: Der Vergessene (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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während Edias die beiden Ligaten tötete, die dem Sheson am nächsten waren. Dann ging er zu Boden, Blut quoll aus seiner Brust hervor. Der letzte Ligat hob eine Pfeife, um Verstärkung zu holen, doch ehe sie seine Lippen berührte, schmolz sein Gesicht, gefolgt von Kopf und Schultern. Dann kippte er rücklings durch die offene Tür.
    Rasch breiteten sich der Gestank von versengtem Fleisch und ein bitterer Blutgeruch aus. Die Laterne brannte noch, und in ihrem Schein beobachtete Braethen die sich schwach bewegenden Lippen des Sodalen, der ihm den Eid hatte abnehmen wollen.
    Dann blickte er zu dem Sheson auf, und dessen enttäuschte Miene traf ihn tief. Sie rief einen Schmerz aus der Vergangenheit wach, den er nach Kräften verdrängt hatte.
    Er konnte das nicht. Sein Traum war ein Fantasiegespinst, wie kleine Jungen es sich an herrlichen Sommertagen bei ihren Spielen im Helligwald ausdachten.
    Dann …
    … erinnerte er sich an einen kristallenen Kelch.
    Ein kurzer, schmerzlicher Augenblick.
    Ein Augenblick, in dem die Enttäuschung auf dem Gesicht seines Vaters ihn auf eine Weise berührte, die ihm unvergesslich blieb und eine Narbe hinterlassen hatte. Er liebte A’Posian, und er liebte das Ideal der Sodalität. Lange Zeit hatte er mit diesem inneren Zwiespalt gelebt. War seine Entscheidung, sich vom Weg seines Vaters, dem Weg des Autors abzuwenden, jetzt auf einmal gegenstandslos?
    Später würde er über diesen Augenblick schreiben, der eine solche Willenskraft in ihm sprießen ließ, da er hier mit der Endgültigkeit konfrontiert wurde: Hier, das wusste Braethen, hatte der Sheson damit gerechnet, dass die Namen der Toten und die Tragweite der Berufung ihn zurück zu seinen Büchern scheuchen würden. Hier, wo schreckliche Umstände diesen Ausdruck auf das Gesicht des Sheson treten ließen, diese Enttäuschung, die Braethen widerlegen würde, und wenn es ihn das Leben kosten sollte.
    Mit dem Bild dieses Kristallkelchs vor Augen robbte Braethen zu Edias, ergriff dessen blutige Hand in dem geheimen Händedruck und wiederholte den Schwur im Ganzen, auch die letzten Wörter. » … manche müssen sterben.«
    Edias’ blutverschmierte Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, ehe er keuchend seinen letzten Atemzug tat. Braethen stand auf, sah Vendanji an und sagte: »Wir sollten gehen, ehe noch mehr von ihnen kommen.« Die Miene des Sheson war undurchschaubar, doch das war immerhin besser als verächtlich oder enttäuscht.
    Wendra rieb sich mit der freien Hand den Bauch – eine Geste, die sie sich während der Schwangerschaft angewöhnt hatte. Sutter fragte sich, ob sie sich der Bewegung überhaupt bewusst war. Sie fand sie vielleicht tröstlich, vermutete er und beschloss, Wendra nicht darauf aufmerksam zu machen.
    Aber da war ein Thema, auf das er sie schon oft vergeblich angesprochen hatte. Er hoffte, dass sie jetzt vielleicht endlich offen mit ihm darüber reden würde.
    »Wie geht es dir?«, begann er.
    Wendras Blick blieb halb in die Ferne gerichtet. »Danke, Sutter, es ist nett von dir, dass du danach fragst. Ich schaffe das schon.«
    Sutter nickte. »Ich weiß, dass du nie darüber sprechen wolltest. Aber mich lässt das einfach nicht los. Du weißt ja, was ich für dich empfinde …«
    »Du hast noch nicht einmal den Wandel hinter dir«, unterbrach sie ihn lächelnd.
    »Ja, ja. Ich bin noch Melura, sicher. Aber … ich will das in Ordnung bringen, Wendra. Der Mann, der … der Mann, der … Er muss zur Rechenschaft gezogen werden für das, was er getan hat. Und ich will derjenige sein, der ihn vor dem Dorfrat beschuldigt.«
    Sutter erkannte an ihrem abrupt veränderten Gesichtsausdruck, dass er schmerzliche Erinnerungen in ihr wachgerufen hatte. Das hatte er nicht gewollt, und schon wünschte er, er hätte nichts gesagt. Sie sah ihn an, als verstünde sie seinen Wunsch, ihr zu helfen. Doch sie schüttelte den Kopf.
    »Du brauchst gar nichts zu tun. Nenn mir nur seinen Na men. Sag mir, wo ich ihn finde.« Sutter hielt inne. Sie sagte immer noch nichts. Doch er sah in ihren Augen, dass die Vergewaltigung schrecklich gewesen sein mochte, Wendra aber mehr angetan worden war als körperliche Gewalt. Er fragte sie ein letztes Mal. »Wendra, ich glaube, dein Vater hätte es genauso gesehen wie ich. Würdest du es ihm sagen, wenn er noch am Leben wäre?«
    Da hörte sie auf, den Kopf zu schütteln, und wirkte ein wenig verblüfft. Dann wurde ihr Blick weicher. »Wenn du etwas für mich tun willst, bring mich zum

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