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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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mitzuerleben.
    Schlegel richtete sich auf und schürzte die Lippen wie eine Frau, die zu einem Kuss ansetzt. Dann sprach er mit koketter Fistelstimme: »Mit Gnade hat noch nie jemand etwas erkauft.«
    Die drei brüllten vor Lachen. Das überbordende Getöse hallte in der Zelle wider.
    »Wie machst du es denn dann?«, fragte Jep und unterdrückte ein Kichern.
    »Ach, Jungs, das ist das Beste.« Schlegel beugte sich wieder vor, als würde er ihnen wichtige Geheimnisse anvertrauen, und sah sich hektisch um wie ein Frettchen, bevor er erklärte: »Ich nehme diese Bestechungen freudigen Herzens an und verspreche alles, was der Bittsteller verlangt, manchmal sogar mehr. Diese erbärmlichen Narren weinen und danken mir, segnen mich für meine mildtätige Gnade und versprechen mir für meine Bereitschaft, mich auf einen solchen Handel einzulassen, mehr, als sie je haben werden. Ich lächle sie an und sage ihnen, dass ich sehen kann, welch gute Menschen sie doch sind, zu Unrecht beschuldigt, und dass ich alles tun werde, um oben in den Hallen ein gutes Wort für sie einzulegen, damit Milde oder gar eine Begnadigung beschlossen werden kann. Und dann machen sie noch mehr Aufhebens um mich und weinen wieder, küssen mir die Stiefel und preisen meinen Namen. Und ich befördere meine Beute in einen Scheuereimer voll Seifenwasser und überlasse sie ihrer Freude.« Ein bösartiges Lächeln breitete sich über seine schadhaften Zähne aus. »An den festgesetzten Tagen kehre ich zurück, um ihnen ihre mageren Mahlzeiten zu bringen, übergieße sie dann und wann mit einem Eimer Wasser und werfe ihnen etwas Seife und einen nassen Lumpen hin. Und sie fragen nach unserer Abmachung. Und dann hocke ich mich vor sie und warte, bis sie still sind. Dann, wenn sie mir unverwandt und hoffnungsvoll in die Augen sehen, sage ich zu ihnen: ›Welche Abmachung?‹«
    Bryon und Jep sackte der Unterkiefer herunter. Dann brüllten sie vor Lachen und schlugen einander vor Heiterkeit auf die Schultern.
    »Ihr solltet ihre Gesichter sehen«, fuhr Schlegel fort. »Oh, Nektar, der reinste Nektar! Dieser Ausdruck der Hoffnungslosigkeit, des Verratenseins, ist der Lohn für meinen Posten, Jungs. Diese Häftlinge ihrer letzten erbärmlichen Wünsche und ihrer geringen Hoffnung zu berauben … das macht den Gestank beinahe erträglich!«
    Tahn zuckte zurück und wäre gern im Stein versunken, um sich zu verstecken und sich aus der Gesellschaft dieser Männer zu entfernen. Ihre widerlichen Flüche und Schimpfwörter, obszönen Scherze und verabscheuungswürdigen Taten entsetzten ihn. War dies wirklich die Stadt des Lichts, in die Vendanji sie zu führen gedacht hatte?
    Da erhob sich Rolen.
    Das Rasseln seiner Ketten klang in dem hallenden Raum wie ein Vorzeichen und brachte das Gelächter zum Verstummen.
    Rolen trat in den Lichtschein, der durch die Tür fiel, ausgemergelt und schmutzig, aber mit furchterregender Miene. Er öffnete den Mund und sprach mit Donnerstimme: »Genug! Ich werde eure teuflischen Zungen nicht länger dulden! Beim Allwillen, der uns formt und nährt, befehle ich euch zu schweigen – sonst lasse ich gnadenlos den Tod auf euch hinabregnen!«
    Seine Worte hallten um sie wider, während er in schrecklicher Erhabenheit vor ihnen stand. Mit Ketten gefesselt, starrte er seine Wärter still und feierlich an.
    Die Männer duckten sich, und die Klingen fielen ihnen aus den Händen, da ihre Arme und Beine heftig zitterten. Sie verneigten sich tief und flehten Rolen um Vergebung an.
    Tahn sah in stummer Ehrfurcht und Ergriffenheit zu. Er erinnerte sich an alle Geschichten, die er je über das Höchste Gericht gehört hatte, dachte an das erste Große Mandat, das einberufen worden war, um der Bedrohung durch den Weißen zu begegnen, besann sich auf die Erzählungen der Vorleser über Völker und Könige, die sich versammelt hatten, um die Worte des Ersten Eides in die Tat umzusetzen. Aber von nun an würde Tahn Anmut und Adel auf ewig mit diesem Augenblick verbinden, den er gefesselt in dunkler Stunde in den Gewölben unter dem Solath Mahnus verbracht hatte.
    Da spürte ihn Tahn: den Ruf des Willens. Schwach, leise. Er wurde Zeuge der Würde dieses gefangenen Sheson, der selbst in dieser widerwärtigen Grube noch duldsam und pflichtergeben war, und trug seine eigenen Ketten mit größerer Leichtigkeit, zumindest für den Moment. Und in diesem Augenblick dachte er, dass er etwas darüber wusste, welche Grenzen man setzen musste und auf welcher Seite er

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