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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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stand.
    Sie starrten Sutter wortlos an, mit großen Augen, als ob es sie erstaunte, dass sie überhaupt zu sehen waren. Oder vielleicht war das glänzende Weiß dieser Augen nur der hundert Meilen weit reichende Blick der Unbehausten.
    Der Nebel züngelte an ihm empor, kroch über den Steinboden, wirbelte um die Füße der körperlosen Gestalten, die mit einer sehnsüchtigen Miene vor ihm standen, die anzeigte, dass sie das Bedürfnis hatten, mit ihm zu sprechen, dazu aber nicht in der Lage waren.
    Die Kälte hatte ihn geweckt, wie schon in der Nacht, die er im Haus des Ligaten Gehone verbracht hatte. Diesmal konnte er nichts tun, als sich so weit in seine Ecke zu kauern, wie seine Ketten es ihm gestatteten, und zu hoffen, dass diese Wesen nicht wie das Geschöpf waren, das sich Sevilla genannt hatte.
    Sutters Herz raste; er geriet in Panik. Er wollte aufschreien, aber ihm versagte die Stimme. Diesmal würden ihn weder Tahn noch die starken Arme eines Ligaten retten. Und diese beiden Kreaturen – vielleicht verbargen sich noch mehr von ihnen in den Nebelschwaden, die ihn umwirbelten – waren vollständig für ihn sichtbar, die großen Augen in jenem ewigen Ausdruck von Erstaunen und Verlangen erstarrt.
    Vielleicht waren sie ein Albtraum. Vielleicht eine Fieberphantasie.
    Wenn er tatsächlich krank wurde und sich übergab, würde ihn das entsetzen. Er hatte kaum etwas gegessen, und das bisschen, was er bekommen hatte, waren verfaultes Obst und übelriechendes Wasser gewesen.
    All das verschaffte Sutter das Gefühl, dass er schon begraben lag, gefesselt in der großen Kammer einer Gruft inmitten anderer erwachter Toter. Das Zittern seiner Arme und Beine wurde so heftig, dass seine Ketten zu rasseln begannen. Das Geräusch erhob sich in das Todesbild, und er fürchtete, dass er nie seine Felder wiedersehen oder seinem Vater den Dank abstatten würde, den er ihm nun so unbedingt aussprechen wollte.
    Es lag gewiss an der Grabeskälte, und er schmiegte sich an den Boden, wartete darauf zu sterben und hörte wie von Ferne sein eigenes schwaches Stöhnen.
    »Sutter.« Eine Stimme mischte sich ein. »Sutter!«, ertönte sie noch einmal.
    Er starrte in Thalens Gesicht auf, der mit straff gespannten Fesseln seinen Namen rief. Und in dem Augenblick veränderte sich etwas. Sutter sah sich in der Zelle um. Der Nebel war verschwunden. Mit einem lauten Keuchen holte er lang und schmerzhaft Atem und stieß die Luft mit einem Schrei wieder aus, der im Kerker widerhallte.
    »Er hat Schüttelkrämpfe.« Das war einer der Mimen an der anderen Wand. »Gib ihm etwas Wasser.«
    Thalen hob eine Schale hoch und befeuchtete Sutter die Lippen.
    »Er wird sich wieder erholen. Lass ihn weitertrinken, sogar diesen Dreck, den sie uns geben. Es wird helfen.« Der Mann sprach mit der Gewissheit eines Vaters, der schon kranke Kinder gehabt hat.
    Einige Augenblicke vergingen, und Sutter begann sich bald wieder besser zu fühlen. »Danke«, stieß er hervor.
    »Nichts zu danken, mein Junge«, sagte der Mime. »Hier gibt es ja ziemlich wenig zu tun.« Seine Kette rasselte, als er mit einer Handbewegung auf den Raum wies. »Ich schätze, was ich tun kann, muss ich auch tun.«
    Sutter stemmte sich hoch. »Warum seid ihr hier?«
    »Wir warten auf unseren Prozess wegen Aufwiegelung.«
    Ein weiteres Mitglied der Mimentruppe meldete sich zu Wort: »Wir haben auf dem Platz südlich des Solath Mahnus den Zyklus des Ersten Eides gespielt. Die Liga war nicht erfreut über die Andeutung, dass ihre Gründung nicht nur unnötig, sondern sogar ein Unglück war.«
    Ein schwaches Lachen ertönte aus der Dunkelheit von einem dritten der geprügelten Mimen.
    Zu ihrer Linken schwang die Tür auf, so dass sich grelles Licht auf sie ergoss. Sutter blinzelte angesichts dieses Eindringens Tränen fort und beschattete sich dann die Augen, um einen klareren Blick auf die Spielleute gegenüber von ihm zu erhaschen. Eine der Frauen hatte den Kopf zwischen ihren Knien geborgen; ob sie es tat, um ihre Augen vor dem Licht zu beschirmen, oder aus Niedergeschlagenheit wusste Sutter nicht. Aber die Gesichter, die er sehen konnte, wiesen immer noch die schlampig aufgetragene, übertriebene Schminke auf, mit der die Gefängniswärter die Mimen beschmiert hatten, um sie wie Narren oder Tölpel wirken zu lassen.
    Auf die Art machten die Wärter sich darüber lustig, wie diese Leute ihren Lebensunterhalt verdienten.
    »Ruhe da unten!«, blaffte eine Stimme. »Ihr bekommt schon noch

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