Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte
Und auf Eile kommt es an, mein Freund. Die besagten Hofnarren sind uns jetzt schon auf den Fersen, gewiss aufgrund der Lügen, die sie aus dem Munde der Liga gehört haben.«
»Nun hör doch nicht schon auf, Vendanji«, prustete Garlen lachend. »Heraus damit! Wir haben die Stille im Land! Geduldige Schattenwesen, die einen Makel mit sich bringen, nicht nur den Makel der Verderbtheit, sondern den von Geheimnissen, die die Menschheit viel zu lange gar nicht beachtet hat. Das habe ich tausendfach auf Pergament festgehalten, mein Freund, tausendfach allein in diesem Zyklus. Männer wie Anais gleichermaßen klatschen sklavisch Beifall und legen mir für meine gewitzten Erzählungen und ausgefeilten Geschichten doch nicht einmal ein Kupferstück in die Hand. Sie halten sich alle an die Texte, die das Siegel der Regentin tragen, weißt du? Die Lügen, dass wir in Sicherheit wären.«
»Ich weiß, Garlen. Aber genug! Kannst du so etwas schreiben?« Vendanji hätte genauso gut die Faust gegen das Pult schmettern können. Die Lautstärke seines Schreis ließ die Fasern des Holzes erbeben.
Garlen hob das Kinn und kniff ein Auge zusammen. Auf seinem Schreibschemel an dem unmöglich hohen Pult glänzte sein weißes Haar im Licht der Lampe, die gleich daneben hing. Seine Brille spiegelte einen Schimmer der Flamme darin wider. Der Autor starrte Vendanji einen schrecklichen Moment lang an und stellte die Geduld des Sheson auf die Probe. Dann zeigte er mit dem Federkiel auf ihn.
»Ihr geht zum Fels der Erneuerung.« Er hielt inne und drehte die Feder zwischen den Fingern hin und her. »Das ist ein gefährlicher Ort, mein Freund, kein Ort, an den man mit einem solchen Gefolge spazieren sollte.« Die Feder beschrieb einen Bogen durch den Raum, um auf die Helligtaler und Penit zu zeigen.
Vendanji öffnete den Mund, um zu sprechen.
Garlen unterbrach ihn, bevor er ein Wort sagen konnte. »Ja, das kann ich schreiben. Oder fast. Ich habe den Soliel gesehen und bin wie ein verlorener Welpe an Orten herumgestreift, über die die meisten Menschen nicht schreiben würden.« Der Autor wurde still, sein Blick nachdenklich. »Aber ich habe noch nie über so etwas geschrieben – noch nie. Das Gebiet, auf das die Fern Anspruch erheben, rührt man besser nicht an.« Dann hob Garlen die Stimme, als würde er aufwachen: »Aber ja, das kann ich schreiben! Ich nehme das Doppelte von dem, was du gewöhnlich bezahlst, und es wäre mir lieb, wenn du deinen Bänkelsängern in der Kathedrale gegenüber erwähnen könntest, dass wir unmusikalischen Rüpel reichlich Lieder allein im gesprochenen Wort finden.«
Vendanji sagte nichts dazu, aber er bemerkte am Ende: »Wir müssen nach Naltus.«
Ein Ausdruck von Besorgnis huschte über das Gesicht des Autors. »Dort war ich noch nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Erzählung zutreffend verfassen könnte. Aber ich kann Euch im Soliel absetzen. Von dort aus …«
»Habt Ihr Haswalds Gesammelte Werke ?«, warf Braethen ein.
Garlen spähte mit zusammengekniffenen Augen von seinem Sitz hinab ins Halbdunkel beim Fenster, an dem Braethen Wache hielt. »Wer ist das? Und was geht dich meine Büchersammlung an?«
»Habt Ihr sie?«, fragte Braethen.
»Kein Autor hält sich für …«
»Wo?«
Der Autor zeigte in die entsprechende Richtung, und Braethen rannte zu einem Regal links von dem Mann an der gegenüberliegenden Wand. Er überflog die Buchtitel und fand rasch die richtigen. Es waren acht Bände. Er betastete in fliegender Hast die Buchrücken und zog den zweiten Band aus dem Regal. Mit hörbarem Knacken öffnete er das Buch und blätterte aus der Erinnerung heraus ein Drittel der Seiten durch. Er überflog sie, während sein Herz, sein Verstand und sein Gedächtnis mit rasendem Eifer arbeiteten.
»Hier!« Braethen reichte Garlen das aufgeschlagene Buch hinauf. »In der Mitte der linken Seite.«
Der Autor nahm das Buch mit skeptischer Miene entgegen, las aber, was auf der gedruckten Seite stand. Ein verschwörerisches Lächeln trat auf sein Gesicht, und bevor er irgendetwas anderes tat, streckte er die Hand aus. Braethen nahm sie und erkannte den vertrauten Griff des Autors.
»Hab ich’s mir doch gedacht«, sagte der alte Mann. »Danke, mein Junge. Natürlich ist das eine sehr nüchterne Ausdrucksweise, die sich nicht für eine Erzählung eignet.« Er räusperte sich. »Aber sie verschafft mir, was ich benötige.« Er schüttelte den Kopf und ließ mit boshafter Freude den Blick über Braethen
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