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Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte

Titel: Das Gewölbe des Himmels 2: Der Unrechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orullian
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und die anderen schweifen. Dann hob der winzige Mann den Arm, um sich den Ärmel aufzukrempeln, und tauchte mit großer Geste seine Feder in ein Tintenfass. Sein Blick huschte über seine Brille hinweg zu Vendanji, als er das Schreibwerkzeug wieder herauszog, und schien zu fragen, ob der Sheson das, was der Autor niederzuschreiben gedachte, wirklich verwenden wollte. Vendanji nickte feierlich.
    Als Braethen zum Fenster zurückkehrte, um die Straße zu beobachten, hielt der Sheson ihn am Arm fest und bedachte ihn mit einem knappen, dankbaren Nicken. Für Braethen war es Welten von der Enttäuschung entfernt, die er einst über seine Entscheidungen und seine Eignung empfunden hatte. Die Haut eines Sodalen schien ihm ein Stück besser zu passen als zuvor.
    Garlen sah auf sein Pult hinab, setzte den Federkiel auf Pergament und begann zu schreiben. Das Kratzen der Feder war laut, aber Garlen schaute kein einziges Mal auf, und seine Hand bewegte sich mit geübter Leichtigkeit zum Tintenfass. Es trat keine Pause ein, kein Warten auf eine Eingebung, was er nun schreiben sollte. Er kritzelte fieberhaft, aber nicht panisch. Braethen beobachtete, dass die Augen des Autors über die Seite hinaus auf das blickten, was er schuf. In diesen Momenten wirkten Garlens hagere Wangen voller und seine greisenhaften Augen klar. Braethen lief beim bloßen Gedanken daran, was der Mann wohl im Kopf erschuf und dem Pergament anvertraute, ein Schauer über den Rücken.
    Niemand sprach oder rührte sich. Keiner wollte den Bann des Schweigens brechen. In der Stille kam das einzige Geräusch von dem einsamen Federkiel, der mit schwarzer Tinte seine Spur über ein Stück Pergament zog. Dieses Geräusch wirkte auf Braethen unendlich einsam und zugleich unermesslich wichtig. Es erinnerte ihn an die Arbeit seines Vaters und sorgte dafür, dass sich hier, so fern von zu Hause, sein Respekt vor A’Posian vervielfachte.
    Der Sodale wartete neben der Tür, eine Hand locker auf den Schwertgriff an seiner Hüfte gelegt. Penit, der neben Wendra stand, lächelte. Der Junge schien die Vorstellung von Worten, die als Geschichte niedergeschrieben wurden, zu genießen. Braethen hatte fast vergessen, dass Penit bis vor recht kurzer Zeit sein Auskommen gefunden hatte, indem er die Worte von Autoren vorgetragen und die Rolle von Figuren in den Stücken von Autoren gespielt hatte. Auf Wendras Gesicht war ein seltsamer Ausdruck getreten, und zwar, wie Braethen glaubte, als Garlen die Kathedrale erwähnt hatte.
    Aber er betrachtete den Mann mit stummer Ehrfurcht. Vendanji beobachtete den Autor mit höchster Aufmerksamkeit. Das Gesicht des Sheson war nach oben in den sanften Schein der Lampe des alten Mannes gewandt. Braethen wusste nicht, wie lange sie da standen, warteten und zusahen, wie Garlen seine Erzählung schuf. Wie lange es auch dauern mochte, es kam ihm vor wie ein Augenblick. Der Autor fand Worte, die man – wie Braethen dank seiner langjährigen Studien wusste – singen konnte, um große Abstände zu überbrücken. Die Legenden über solche Erzählungen waren wie die über die Fern.
    Plötzlich flog die Tür auf. Mira stürmte an Braethen vorbei zu Vendanji, der den Blick nicht von Garlen abwandte.
    »Der Pöbel durchsucht die angrenzende Straße«, sagte sie leise in eindringlichem Ton. »Hierher kommen die Leute als Nächstes. Wenn wir jetzt nicht aufbrechen, sind wir in der Unterzahl …«
    Vendanji schien sie gar nicht zu hören, und Garlen ließ sich nicht stören. Der Autor war mit seinen Worten allein in einem Raum voller Fremder.
    »Soll ich nach Süden laufen, um sie abzulenken? Grant und ich könnten sie so lange in die Irre führen, dass ihr die Kathedrale erreichen könntet.« Mira schaute zu Garlen hoch. »Ist er bald fertig?«
    Vendanji hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Im selben Moment brach vor dem Haus ein Kampf aus. Mira schoss von Vendanjis Seite auf die Straße hinaus, als Metallklirren und Ächzen verrieten, dass hinter der Tür ein Schwertkampf stattfand. Alarmrufe wurden laut.
    »Hier drüben!«, brüllte ein Mann erbittert.
    Pferde bäumten sich auf und wieherten laut, und Hufschläge tönten immer hörbarer zu ihnen herüber. Eilige Stiefeltritte trommelten über die ungepflasterte Straße, und das Klirren von Rüstungen und Klingen zerrte an Braethens Nerven. Die Rufe und Schreie klangen mittlerweile zornig. Der Lärm der Schwerthiebe war von Flüchen begleitet. Verwünschungen schollen über den festgestampften

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